Der Vorstadt-Wachmann: Jan Weiler („Maria, ihm schmeckt’s nicht!“, „Das Pubertier“) präsentiert sein Buch „Kühn hat Ärger“. Unser Tipp: Lesen!

Vom Leben und dem, was es mit den Menschen so macht, versteht Bestsellerautor Jan Weiler ziemlich viel – ob es um Anpassungsschwierigkeiten in italienischen Großfamilien geht („Maria, ihm schmeckt’s nicht!“) oder um chemische Versuche mit Pizzakartons im Kinderzimmer („Das Pubertier“, kürzlich verfilmt mit Heike Makatsch und Jan Josef Liefers).

Und selbst in Welt und Wesen eines burnoutgeschädigten Polizeibeamten in Münchens Vorstadt kann Weiler sich derart hineinfinden, dass wir am Morgen ins Spiegelgesicht des Martin Kühn schauen und mit ihm fragen: „Wer bist du? Wie geht es dir? Stimmt alles?“

Überfall an der U-Bahn-Station

Zwei Monate hat Kühn in der Reha verbracht. Innen ist er also ganz neu, außen aber ist leider alles beim alten. Kühns Ehe ist immer noch vom großen Schweigen geprägt – erst recht, nachdem Ehefrau Susanne des abends arg spontan zu fragwürdigen Yogastunden entschwindet und er selbst an einem sehr frühen Morgen im Bett der jungen Kollegin Ulrike Leininger aufwacht. Kühns Siedlung, die Weberhöhe, wird immer noch von giftverseuchtem Grundwasser unterspült, und die rechte Bürgerwehr macht immer noch Stimmung. Und die Mordfälle werden auch nicht schöner: Da liegt der 17-jährige Amir, Sohn libanesischer Einwanderer, tot auf der Bank einer U-Bahn-Haltestelle – erstickt am eigenen Erbrochenen. So viele Schläge und Tritte hat er eingesteckt, dass sein Gesicht nicht mehr zu erkennen ist.

Dabei hatte so vieles gerade so gut ausgesehen in Amirs Leben. Julia zum Beispiel. Von einer märchenhaften Teenager-Liebe erzählt Weiler hier, die sogar die Grenzen zwischen Sozialbauwohnung und Mega-Villa im schicken Grunewald einzureißen vermag. Wie freundlich Amir aufgenommen wird von den Van Houtens, die ihn so weltoffen, vorurteilslos auf ihr Bonsai-Parkett (eine schöne Erfindung Jan Weilers) laden und selbstgemachte Ingwer-Limetten-Minze-Limo servieren. Auch mit Julias Bruder Florin und dessen Freunden versteht Amir sich prächtig. Und plötzlich lernt Amir auch wieder für die Schule!

Das Dunkle, das hinter der glänzenden Fassade lauert, offenbart sich spät und kommt dennoch nicht überraschend: Das Böse an sich lässt Weiler diesmal auf seine Leser los, gepaart mit der ebenfalls arg klischeeverdächtigen Erkenntnis, dass mit Geld das Allermeiste zu haben ist.

Die „Zwischenwelt“ der Pendler

Freude macht der Roman immer dort, wo Weiler Szenen des Alltags beobachtet, fern von moralischen Urteilen. Etwa in der „Zwischenwelt“ der Pendler in Münchens Vorstädten, die sich im Schnitt eine Stunde früher die Zähne putzen als die Menschen in Schwabing (wie die Wasserwerke wissen) und deutlich seltener mit Ultraschall-Zahnbürsten (davon künden die Verkaufszahlen der Supermärkte). Hier ist Weiler ganz nah bei seinen Lesern, die selbst in der Mitte der Gesellschaft längst das Gefühl haben, sich gerade eben so am Rand noch festzuklammern.

Jan Weiler: Kühn hat Ärger. Piper, 400 S., 20 €. Lesungen: Am 12. April 2018 liest Weiler in Bonn aus „Kühn hat Ärger“ (Thalia, 20 Uhr). Am 26. April gibt’s in der Essener Zeche Carl „Und ewig schläft das Pubertier“ (20 Uhr).