Essen. . Josef Büscher, geboren vor 100 Jahren: Der Spross einer Bergmannsfamilie wurde zu einem bedeutenden Vertreter der Arbeiterliteratur.

„Das Wort zum Sonntag“, sagte Josef Büscher einmal, „ist etwas für Sonntagsmenschen. Was wir Arbeiter brauchen, ist vor allem das Wort zum Alltag“. Dabei war Josef Büscher selbst ein Sonntagskind, als er heute vor 100 Jahren in Sterkrade zur Welt kommt. Und nicht viel deutet darauf hin, dass dieser Sohn einer kinderreichen Bergmannsfamilie eines Tages Schriftsteller sein wird. Zumal er schon als Kind „alle Arten proletarischen Elends und kapitalistischer Ausbeutung“ erlebt, wie er sich später einmal erinnern wird.

Wissen, Macht, Aufstieg

Aber die Lehrer des kleinen Josef erkennen sein überragendes Talent, und seine Eltern ermöglichen ihm das Gymnasium in Bottrop, obwohl sie selbst arg zu knapsen haben. Aber sie glauben innig an die alte SPD-Parole, die längst noch kein Spiel für die Playstation ist: „Wissen ist Macht!“. Und macht Aufstieg möglich.

Sein Bergbaustudium muss Josef Büscher nach wenigen Semestern abbrechen, weil er 1939 für den Überfall der Nazis auf Polen und Frankreich gebraucht wird. Als er 1945 aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrt, heuert er als Hauer in Oberhausen an. Sechs Jahre später ist er reif für den Übertagebetrieb, wird Lohnbuchhalter, auf der Zeche Nordstern in Gelsenkirchen-Horst. Für die Grube ist der Körper des 33-Jährigen schon zu zermürbt.

Aus der Schichtarbeit befreit, wendet sich Büscher mehr und mehr dem Schreiben zu, mit Kurzgeschichten, Glossen, Reportagen. Und Gedichten, die jeder verstehen kann.

Büscher ist tief verwurzelt in der Gewerkschaft, in der SPD. Anfang der 60er-Jahre ist er dabei, als sich in Dortmund die „Gruppe 61“ gründet, zunächst noch mit dem Titel „Arbeitskreis für künstlerische Auseinandersetzung mit der industriellen Arbeitswelt“. Als Büscher merkt, dass die Gruppe zunehmend „verbürgerlicht“, engagiert er sich mehr in der frisch gegründeten „Literarischen Werkstatt Gelsenkirchen“, in die selbst ein damaliger Star wie Max von der Grün kommt, um mit Büscher um die Sätze eines neuen Romans zu ringen. Der Gelsenkirchener Autor Klaus-Peter Wolf schwärmt noch heute von dieser Schreibschule, in der auch Autoren wie Frank Göhre und Volker W. Degener ihr Handwerk lernten.

„700 Jahre Freiheit Horst“

Immer wieder versucht Josef Büscher, vor allem Arbeitern Freude am Schreiben und am unerbittlichen Feilen am Text zu vermitteln. Die Einsamkeit des Genies ist ihm fremd und Literatur ein Handwerk, dem er gern gemeinsam nachgeht, mit Kollegen wie Richard Limpert, Kurt Küther oder Hugo Ernst Käufer, dem Motor der „Literarischen Werkstatt“, aus der 1970 der bundesweite „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ werden sollte.

„Unser Jupp“, wie sie ihn jetzt längst nennen, macht auch unverdrossen weiter, als die Konjunktur der Arbeiterliteratur in den 70er-Jahren wieder abebbt. Nach seinen Bänden „Auf allen Straßen“, „Gedichte“, „Stechkarten“ und den Kohlenpott-Geschichten „Zwischen Tackenberg und Roth­enbusch“ erarbeitet er mit seinem letzten großen Werk die Chronik „700 Jahre Freiheit Horst“ über den Gelsenkirchener Stadtteil, in dem er bis zu seinem Tod im September 1983 wohnte.