. Sie schrieb das Buch zum Super-GAU: Gudrun Pausewang, die Autorin des Atom-Romans „Die Wolke“, feiert am 3. März ihren 90. Geburtstag.

„Der Samstag war immer der Badetag – außer, wenn wir auch im großen Teich draußen badeten, also im Hochsommer. Wie sauber wir uns fühlten!“, erinnert sich Gudrun Pausewang an ihre ersten Lebensjahre in Ostböhmen, das damals zur Tschechoslowakei gehörte. Heute wird die erfolgreiche Jugendbuchautorin 90 Jahre alt.

Als Mädchen trägt sie die Kleider der Cousinen, die danach die Schwestern anziehen, bis nur noch Lumpen übrig sind, mit denen dann die Mutter putzt. Die Kindheit der kleinen Gudrun ist mit einer heutigen nicht zu vergleichen. Und doch ist die entbehrungsreiche Zeit ihr persönliches Bullerbü.

Die Flucht in den Westen

Ihr Vater fällt in Russland. Nach dem Zweiten Weltkrieg flieht die 17-Jährige als Älteste von sechs Geschwistern mit der Mutter in den Westen: „An den Straßenrändern sahen wir Kranke und Hochschwangere erschöpft sitzen oder liegen, sahen sterbende Säuglinge, vergewaltigte Frauen, kamen an Lagern gefangener deutscher Soldaten vorbei. Typhus und andere hochansteckende Krankheiten grassierten . . .“ Die Bilder des Krieges, des Nationalsozialismus lassen sie nie wieder los. In Büchern schreibt sie sich das Leid in dieser unerträglichen Zeit von der Seele.

Die Vertriebene sagt: „Heimat ist nach meinem Dafürhalten ein Begriff, der in die Vergangenheit gehört.“ Gudrun Pausewang unterrichtet als Lehrerin in Hessen, dann in Chile und Venezuela. Sie reist durch Südamerika und schreibt über die Armut. Nach dem Krieg sieht für sie die Zukunft der Welt sehr düster aus. „Aber nachdem ich 1963 nach Deutschland zurückgekommen war, las ich einige Bücher des ,Club of Rome’“, erzählt sie dieser Zeitung. „Diese Lektüre gab mir neuen Mut und lehrte mich, die Zukunft der Menschheit positiver zu sehen. Dafür war natürlich ein intensiveres Engagement hinsichtlich unserer Erde nötig.“

Laute Kritik an der damaligen Energiepolitik

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Ihre Kritik an der damaligen Energiepolitik war besonders laut: Mit ihrem aufrüttelnden Buch „Die Wolke“ zeigt sie Deutschland nach einem Reaktorunfall. Für die später verfilmte Geschichte um ein 14-jähriges Strahlenopfer bekommt sie zwei Jahre nach Tschernobyl den Deutschen Jugendliteraturpreis 1988. „Wenn’s ein Super-GAU war, kannst du den Katastrophenschutz vergessen“, lässt Gudrun Pausewang im Buch einen Jungen sagen. „Dann brauchen die in Schweinfurt nur noch Totengräber und Spezialisten für Transplantationen von Knochenmark.“

Wie aktuell das Buch ist, zeigt die Kritik an dem maroden Kernkraftwerk Tihange in Belgien. Und „Die letzten Kinder von Schewenborn“ (1984) erleben zwar im Kalten Krieg den Fall von Atombomben. Aber diese Gefahr ist auf der Welt ebenfalls nicht gebannt.

Ihr liegt der Frieden am Herzen

Gudrun Pausewang liegt der Frieden am Herzen, die Umwelt, die Gerechtigkeit. Aber die Mutter eines Sohnes, die heute in Bayern lebt, schreibt nicht nur gesellschaftskritische Bücher. Mit heiteren Erzählungen macht sie dem Räuber Hotzenplotz Konkurrenz: Ihre Abenteuer um den Räuber Grapsch gehen in Serie.

Da die Grundschullehrerin bis zur Pensionierung stets von Kindern umgeben ist, kann sie sich gut in sie einfühlen. Über 90 Bücher hat sie veröffentlicht. Seit zwei Jahren schreibt sie zwar nicht mehr, aber das Kind in Gudrun Pausewang ist auch mit 90 nicht still: „Viele Menschen versuchen, ihre Kindheit abzustreifen“, sagt sie kurz vor ihrem Geburtstag und fügt als Rat hinzu: „Das sollte man nicht.“