Köln. . Pop mit Eigensinn: „Hinweise zum Gebrauch“, das neue Album der Kölner Band Erdmöbel, ist auch ein ständiger Blick über den Tellerrand.

Langweilig waren sie noch nie. Und das sind Erdmöbel auch auf ihrem neuen Album nicht, das am Freitag erscheint. Es geht um Fremdbestimmung („Ich bleibe jung“), um Antrieb für das Prinzip Hoffnung oder um einen Kursleiter, der weiß, wie man falsche Tränen möglichst echt vergießt („Tutorial“). Ein Mantra entwickelt böse Suggestivkraft („Erschlagt die Armen“), Brandgeruch liegt in der Luft („Hinweise zum Gebrauch“), und Al Jarreau singt nie wieder im Weißen Haus („Barack Obama“).

Die elf Songs kommen mit gut 38 Minuten Gesamtspielzeit aus. Jedes Stück ist von einem anderen Musikstil inspiriert, rund ein Jahr hat’s gedauert mit dem Produzieren. Vom letzten Album „Kung Fu Fighting“ (2013) an gerechnet sogar fast fünf Jahre. Warum so lange?

Freude am Leben empfinden

„Wir mussten uns erstmal neu sortieren, um was ganz anderes zu machen“, sagt Ekki Maas. „Für Leute, die Freude am Leben haben wollen, aber nicht auf Bestätigungskunst stehen“, ergänzt Markus Berges, „die stattdessen auch das Quäntchen Fremdheit schätzen, das man braucht, damit man diese Freude am Leben empfindet.“ Zwar gehe es ihm schon darum, eigene Befindlichkeiten auszuloten: „Aber künstlerisch muss man dabei auch über sich selbst hinauswachsen, über den eigenen Tellerrand hinweg. Es geht nicht um Gefühligkeiten. Nicht um die Darstellung eines Gefühls um des Gefühls willen.“

Damit Bezug auf aktuelle und politische Vorgänge zu nehmen, sei eine besondere Herausforderung fürs neue Album gewesen: „Das haben wir noch nie so gemacht.“ Wie das funktioniert, illustriert das Beispiel Ebertplatz in Köln. Hier drehte die Band das Video zu ihrer Vorab-Single „Hoffnungsmaschine“ mit Judith Holofernes. Früher war dieser Platz verdreckt und verrufen. Künstler, die sich dort ansiedelten, machten ihn wieder begehbar, zu einem Ort, den man gerne aufsucht.

Die Hoffnungsmaschine läuft

Um die Ecke, am Eigelstein, proben Erdmöbel. „Das ist unser Raum und wir kriegen ganz genau mit, was da passiert“, sagt Maas, „diese absurde Stadtpolitik, den Künstlern kündigen zu wollen, die den Platz wieder belebt und aus der Schmuddelecke geholt haben. Jetzt sind sogar die Drogendealer verschwunden, sauberer geht’s nicht mehr. Und jetzt riecht es da auch gut. Sogar meine Tochter, die ist zehn, geht da lang, ohne sich zu fürchten. Die Hoffnungsmaschine läuft – nicht nur auf dem Ebertplatz, sondern an vielen Orten. Überall da, wo man sie in Gang bringt.“

Die Hoffnungsmaschine im Video ist ein Klavier. „Diese Maschine tötet Faschisten!“ steht darauf. Rechtsextreme hatten die Künstler auf dem Ebertplatz angegriffen. Seitdem das Video im Netz ist, muss Maas auf der Erdmöbel-Homepage immer wieder rassistische Kommentare löschen: „Das zu lesen, regt mich jedes Mal furchtbar auf.“ Aber: „Ich will nicht, dass die Nazis auf unserer Seite ihren Hass verbreiten.“ Oder zu Gewalt aufrufen. Die sich, latent vorhanden, mitunter auch da antreffen lässt, wo sie niemand vermuten würde. „,Erschlagt die Armen’ erklärt, wieso die Reichen reich sind und die Armen arm“, sagt Maas, „sehr viele Leute nehmen in Kauf, dass arme Leute sterben. Aber zu sagen: ,Erschlagt sie’ wird nicht akzeptiert. Es ist ein Tabu.“

Zusammenmontiert aus Pressetexten

Andere Stücke dagegen kommen rätselhafter daher. „Barack Obama“, ein Song der von Al Jarreaus Bühnenabschied und seinem Tod handelt, ist zusammenmontiert aus Versatzstücken von Pressetexten. Maas: „Wir konnten ihn nicht leiden, fanden seine Musik nicht so schön. Aber aufgrund der großen Empathie für Jarreau hab’ ich mich plötzlich sehr stark identifiziert mit ihm: Vorher hast du noch vor Obama gesungen und du warst ganz glücklich darüber – und jetzt bist du tot! Für uns war das doppelt anrührend – gerade weil wir keine Al Jarreau-Fans waren.“

Konzert: 29.4., Gloria, Apostelnstr. 11, Köln. 0221 660 63 0.