Dortmund. . Dass Hannes Brock mehr 45 Jahre lang vor Menschen singen durfte, nennt er „ein großes Privileg“. Jetzt geht der beliebte Tenor in den Ruhestand.

Manchmal ist das mit dem „In die Wiege gelegt“ eben doch eine recht lebensgesättigte Metapher. Als Hannes Brock 1981 in Hagen vorspricht, heißt der Intendant Manfred Schnabel. Schnabel will den jungen Tenor engagieren – und fragt: „Sind Sie der Sohn von dem Jürgen Brock“?

Hannes nickt. Und Manfred Schnabel sagt: „Dann haben Sie früher oft auf meinem Schoß gesessen: Ich war Regieassistent Ihres Vaters und gelegentlich Ihr Babysitter!“ Kleine Welt – und lange her dazu. 2018: Hannes Brock, den der Intendant Schnabel dann von Hagen mit zum frisch eröffneten Aalto nahm, darf aufhören. Oder muss er?

Ein großer Abend zum Tschüs-Sagen

Brock lächelt hintergründig, jaja, er werde nun mal 65, da sei es eben Zeit. Aber dass wir ihn, der nun stolze 25 Jahre festes Ensemblemitglied am Dortmunder Opernhaus ist, mit der Pension so gar nicht mehr sehen, das will niemand recht glauben. „Warten wir mal ab“, sagt er und freut sich, dass es erstmal Grund zum Feiern gibt: Zwei Brock- Abschiedsgalas hat das Opernhaus angesetzt. Ein großer Abend zum Tschüs-Sagen mit Chansons, Arien und natürlich vielen Kollegen. Der Riesenrachen des Opernhauses ist stolze zwei Mal ausverkauft.

„Vielleicht ist jeder ein Publikumsliebling, der lange genug an einem Theater ist“, sagt Brock und lächelt ein bisschen kokett. Er weiß ja, dass das nicht ganz stimmt.

In den Herzen der Menschen einen festen Platz

Suchen wir also die Antwort, warum einer, der nie Siegfried oder Tristan war, in den Herzen der Menschen im Parkett einen festen Platz erhielt. Brock: Theatertier! Was er tut, tut er mit Vollgas. Eine Seitenfigur wie die „Türken-Baba“ bei Strawinsky machte Brock noch zum Ereignis, sein „Rheingold“-Loge ließ aufhorchen, weil er Wagners zündelnden Gott so klangschön wie brandgefährlich sang. Hannes Brock (riesige Plattensammlung!) macht kein Geheimnis daraus, dass er große Aufnahmen studiert, um von anderen zu lernen. Auf Rossini anspielend nennt er sich eine „gazza ladra“, eine diebische Elster. Er hat dabei immer etwas ganz Eigenes gefunden. Brock ist kein Imitator, Brock ist Brock, nicht zuletzt durch das, was er das „Geschenk einer gewissen Präsenz“ nennt.

Neugierig ist er, äußerst kundig: Stundenlang könnte man mit ihm über die Größten der Großen sprechen, bei Salzburgs legendärem Price/Corelli-„Trovatore“ saß Knabe Hannes im Parkett. Manchmal wundert sich Brock, dass es bei einigen jungen Kollegen heute eher wenig Bewusstsein für Vorbilder gibt: „Manche kennen nicht mal die Callas“. Daraus klingt mildes Unverständnis, ein Schuss Melancholie.

300 Mal im „Käfig voller Narren“

Spannend, dass der privat so Schüchterne („Mein Selbstbewusstsein ist ein erarbeitetes“) besonders den Amüsierbereiten Kult ist. 300 Mal war er (erst im Aalto, dann in Dortmund) die „Zaza“ im „Käfig voller Narren“ – aktuell wirbt der Knüller „Hairspray“ mit ihm als Lockvogel: „mit Kammersänger Hannes Brock als Edna Turnblad“.

45 Jahre auf der Bühne. Müde? Nein! „Als großes Privileg“, empfindet Brock den Beruf bis heute. Allein: Dienst zu haben, wenn Freunde zum Essen oder ins Museum laden, das sei der einzige Makel, „aber das kennen Krankenschwestern ja nun auch“.

Gala „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut“, 17. Februar, 19.30h, und am 29. April, wenige Restkarten, 0231-5027222.