Essen. Kaum hatten sie im Museum Folkwang gestern morgen die letzten Nägel in die Ausstellungswand geschlagen, da wurden auch in Berlin die letzten Schrauben des Koalitionsvertrages festgezogen. Kein wirklich guter Tag für einen wie Klaus Staeck: bundesweit bekannter Plakat-Aktivist, Vollblut-Demokrat, langjähriger Präsident der Akademie der Künste und SPD-Linker, der ja nichts gegen Politiker hat und schon gar nichts gegen Politik. Aber er hat etwas gegen das „Weiter so“ und die „Mehltau-Atmosphäre“, mit der die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel das Land überzogen hat: „Manche Menschen spüren einfach nicht, wann ihre Zeit zu Ende ist.“
Kaum hatten sie im Museum Folkwang gestern morgen die letzten Nägel in die Ausstellungswand geschlagen, da wurden auch in Berlin die letzten Schrauben des Koalitionsvertrages festgezogen. Kein wirklich guter Tag für einen wie Klaus Staeck: bundesweit bekannter Plakat-Aktivist, Vollblut-Demokrat, langjähriger Präsident der Akademie der Künste und SPD-Linker, der ja nichts gegen Politiker hat und schon gar nichts gegen Politik. Aber er hat etwas gegen das „Weiter so“ und die „Mehltau-Atmosphäre“, mit der die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel das Land überzogen hat: „Manche Menschen spüren einfach nicht, wann ihre Zeit zu Ende ist.“
Wissen, wann es an der Zeit ist: Für Klaus Staeck, der in 20 Tagen seinen 80. Geburtstag feiert, ist nun also die Zeit gekommen, seine Kunst einmal so umfassend wie nie von der Straße ins Museum zu tragen. Unter dem Titel „Sand fürs Getriebe“ würdigt das Essener Museum Folkwang mit rund 200 der bekanntesten Plakate, Postkarten und Multiples, aber auch mit den frühen Holzschnitten, den gesellschaftskritischen Siebdrucken und umfangreichem Filmmaterial nicht nur den Plakatprovokateur und wichtigen Protagonisten zahlreicher Debatten der früheren Bundesrepublik. Es zeigt auch den Aktivisten, der im Jahr 1986 zusammen mit politischen Weggefährten wie Peter Härtling, Oskar Lafontaine und Günter Wallraff als „Aktionsbündnis für Demokratie“ Tausende von Mitstreitern in die Essener Grugahalle lockt.
Dürers verhärmte Mutterund der „Bonner Bildersturm“
Es sind hochpolitisierte Zeiten, in denen der studierte Jurist und Grafiker, der 1938 in Pulsnitz bei Dresden geboren wird und mit 18 Jahren in die Bundesrepublik flüchtet, immer wieder den richtigen satirischen Slogan findet. Er überschreibt Artikel 14 des Grundgesetztes „Eigentum verpflichtet zur Ausbeutung“ und macht Front gegen die Atomenergie „Und ewig glüht die Heide“. Eine plakative Solidaritäts-Bekundung mit Chile reißt der spätere Bundestagspräsident Philipp Jenninger 1976 kurzerhand von der Wand und sorgt für den so genannten „Bonner Bildersturm“. Das Plakat ist ein Original von vielen in der Ausstellung wie das Motiv der verhärmten Dürer-Mutter, mit der Staecks Karriere 1971 in seiner Wahlheimat Heidelberg beginnt: „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“
Staeck besetzt Themen, als sie eigentlich noch gar keine sind. Unter dem Titel „Klassenkampf. Für unsere Kleinen ist uns keine Klasse zu groß“ nimmt er schon 1974 das Versagen der Schulpolitik voraus, er streitet für die Umwelt, die Gleichberechtigung und gegen Rüstungskonzerne. „Ich vergreife mich immer an den Stärksten, sagt Staeck, der bis heute daran glaubt, „dass David gegen Goliath eine Chance hat“. Auch wenn die Kämpfe für ihn nicht ohne Folgen sind. 41 Gerichtsverfahren hat der langjährige Freund und Kunst-Verleger von Joseph Beuys während seiner Karriere durchfochten. „Und keinen verloren“, bilanziert er zufrieden. Dass darüber oft Jahre vergingen und sechsstellige Summen auf dem Spiel standen, wie beim „Grünen Punkt“, ist dem streitbaren Grafiker aber bis heute in unguter Erinnerung.
Doch was will man machen als „verlässlicher Störer der bequemen Verhältnisse“, wie Staeck sich nennt. Er strichelt gegen Strauß und Kohl, den er als Lügenbaron über blühende Landschaften fliegen lässt (ein Thema mit der aktuellen Variante Trump). Er hängt die NPD schon 1969 ans Fallbeil und schickt der Autolobby einen letzten Gruß: „ADE AC.“ In Wirtschaft und Politik hat sich Staeck mit seiner pointierten und bissigen Plakatkunst Feinde gemacht, dabei kennt er selbst nur Gegner. „Ich verteidige die Politik in der Demokratie“, erklärt er, den nichts mehr nervt als das Politiker-Bashing, das Weitergeben von Verantwortlichkeit an „die da oben“.
Also handelt Staeck, und zwar mit „Demokratiebedarf“, den er seit Jahrzehnten verlässlich liefert. Geschätzte Auflagenstärke: rund 28 Millionen, hat René Grohnert, Chef des Deutschen Plakatmuseum im Folkwang, ermittelt. Und wenn es nach dem agilen Anstifter und klugen Querdenker geht, darf auch noch ein bisschen was dazukommen. Auch wenn die Zeit, als Plakate beim Meinungsmachen noch geholfen haben, allmählich vorbei zu sein scheint, hat Staeck immer noch die vage Hoffnung, „dass man Dinge, die einen stören, noch beeinflussen kann“.