Düsseldorf. . Gesanglich ein Fest, szenisch ein Fiasko: Dietrich Hilsdorf setzt seinen „Ring“ an der Rheinoper mit einer „Walküre“ im Wohnzimmer-Format fort.
Bedrohliche Rotorengeräusche leiten den dritten Akt der „Walküre“ ein, in Wotans Wohnzimmer prangt ein gestrandeter Kampfhubschrauber. Dieser Einstieg gehört zu den raren starken Momenten in Dietrich W. Hilsdorfs Inszenierung von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“, die ein wenig vom globalen Bedrohungspotenzial des Stücks erahnen lassen. Ansonsten hält Hilsdorf in der neuen Produktion der Deutschen Oper am Rhein an dem bereits im „Rheingold“ zu eng gefassten Konzept fest, Wagners Vision einer durch Materialismus und Lieblosigkeit zum Untergang verdammten Welt als Saga verfeindeter Familien-Clans zu deuten.
Walküren mit Sektflöten
Im zweiten Teil der monumentalen Tetralogie bewahrheitete sich jetzt die Befürchtung, die das „Rheingold“ vor einem halben Jahr auslöste. Angesiedelt als Kammerspiel in Walhalls Wohnstube, geht nicht nur ein Teil der weltumspannenden Sprengkraft von Wagners Warnung an die Menschheit verloren. Dramaturgisch bringt ein solches Konzept jede Menge Stolperfallen mit sich, die zu Spannungseinbußen führen. Eine Gefahr, die im zweiten Akt der „Walküre“ mit seinen langen Monologen und Dialogen zum szenischen Stillstand führen muss. Ein Esstisch am linken Bühnenrand wird zum Mittelpunkt, der die Figuren magisch anzieht und in ihrer Bewegung einschränkt. Sowohl der Streit zwischen Wotan und Fricka als auch Brünnhildes Todesverkündung und erst recht Wotans ausgedehnter Monolog werden zu Tischgesprächen. Sogar die „Apocalypse Now“-Stimmung zu Beginn des dritten Akts verpufft schnell, wenn sich die in schicken Abendroben gekleideten Walküren ihren versammelten Helden mit Sektflöten zuprosten. Natürlich am heimischen Wohnzimmertisch.
Hier verspielt Hilsdorf die Chance, die Weltuntergangsstimmung des Werks in die richtigen Dimensionen zu rücken. Warum in der „Walküre“ der von Dieter Richter entworfene Salon Walhalls schon ramponierte Spuren militärischer Angriffe aufweist, bleibt angesichts der aufs private Milieu zurechtgestutzten Konzeption unklar.
Dass der zweite Akt, aber auch das finale Duett szenisch durchhängen, kann Axel Kober am Pult der Düsseldorfer Symphoniker nur bedingt auffangen. Dafür drosselt er den natürlichen Fluss der Musik zu oft, wenn er ihn durch unmotiviert lange Generalpausen nicht sogar zum Stillstand bringt. Temposchwankungen, die das Zusammenspiel von Orchester und Sänger immer wieder ins Wanken bringen. Das ist der Preis für ein detailverliebtes Dirigat, bei dem zwar die kammermusikalischen Passagen recht plastisch zur Geltung kommen, der dramatische Sog aber immer wieder durchbrochen wird. Dem „Walküren-Ritt“, auch der ekstatischen Schlussszene des ersten Akts bleibt Kober zwar nichts an Energie schuldig. Aber in den dynamisch exponierten Stellen wirkt sich die problematische Akustik des Düsseldorfer Opernhauses aus, die einem ausgewogenen Mischklang im Wege steht.
Sensationell: Elisabet Strid
Gesanglich kann sich die Produktion hören lassen. Geradezu sensationell präsentiert sich Elisabet Strid als Sieglinde mit ihrem mühelos ansprechenden Sopran voller Leuchtkraft und Wärme, der auch in den kräftezehrenden Höhepunkten keine Spur von Schärfe oder Überforderung erkennen lässt. Verbunden mit ihrer auch szenisch intensiven Darstellung gebührt ihr die vokale Palme des Abends. Dicht gefolgt von Simon Neal als klug deklamierendem Wotan mit seinem voluminösen, sicher geführten Bariton. Linda Watson erweist sich wie gewohnt als eine Brünnhilde ohne konditionelle Grenzen, auch wenn man etliche Schärfen in Kauf nehmen muss. Als Siegmund erklimmt Corby Welch eine weitere Stufe auf seiner sehr sorgfältig gepflegten Karriereleiter. Sein Siegmund zählt mit seiner eher lyrisch als dramatisch zupackenden Darstellung zu den Highlights der Besetzung.