ESSEN. . Allein gegen alle: Der Film „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ ist ein vielschichtiger Rachefeldzug zwischen Tragödie und dunklem Witz.

Mildred Hayes hat jedes Recht der Welt, verbittert zu sein. Es sind Monate vergangen, seit ihre Tochter Angela vergewaltigt und ermordet wurde. Doch bisher ist nichts geschehen. Der Sheriff ihrer Heimatstadt Ebbing tappt allem Anschein nach im Dunkeln. Überhaupt scheint es so, als sei die Kleinstadt im amerikanischen Süden längst wieder zur Tagesordnung übergegangen.

Mildreds Verzweiflung ist so groß, dass sie auch alle anderen in die Hölle herabziehen muss, in der ihr Leben versunken ist. Also trifft sie schließlich eine radikale Entscheidung, die in Martin McDonaghs Tragikomödie „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ nicht nur ihr eigenes Leben von Grund auf verändert.

Eine Anklage gegen die ganze Welt

Einer spontanen Eingebung folgend beschließt die von Frances McDormand mit Oscar-Avancen gespielte Mutter, drei riesige rote Plakatwände ein Jahr lang zu mieten. In großen schwarzen Lettern erhebt sie Anklage gegen den Sheriff und zugleich gegen die ganze Welt: „Im Sterben liegend vergewaltigt“, „Und immer noch keine Verhaftung“, „Wie kann das sein, Chief Willoughby?“

Während die Medien ihren Vorstoß ausschlachten, formiert sich in der Stadt recht schnell Widerstand gegen ihren Feldzug. Vor allem der aufbrausende und dümmlich wirkende Officer Jason Dixon (Sam Rockwell), der zu rassistischen Ausfällen und brutalen Gewaltexzessen neigt, fühlt sich von Mildred persönlich angegriffen.

McDonagh hält eine faszinierende Balance

Schon in „Brügge sehen ... und sterben?“ und in „7 Psychos“, seinen ersten beiden langen Filmen, hat der britische Dramatiker und Filmemacher Martin McDonagh Komik und Tragik, drastische Gewaltszenen und sentimentale Momente, ungeniert miteinander vermischt. Im Prinzip dürften diese seltsam hybriden Geschichten gar nicht funktionieren. Und doch ist es McDonagh immer wieder gelungen, eine faszinierende Balance zu halten. Man ist entsetzt angesichts der Taten seiner Figuren und leidet dennoch mit ihnen.

Für „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ hat McDonagh seine Technik perfektioniert. Der Ton des Films ändert sich fast von Szene zu Szene. Trotzdem greift alles perfekt ineinander. Das ist auch ein Verdienst Frances McDormands, die dem unheiligen Zorn extrem präzise Züge verleiht. Sie braucht keine großen, keine exaltierten Ausbrüche. Meist reicht ihr ein scharfer Blick, ein kleines Zucken, das ihre fast ausdruckslosen Züge als Maske entlarvt, um das toxische Gemisch aus Trauer und Wut greifbar zu machen, das in ihrer Seele gärt.

Erinnerung an Shakespeares Antihelden

Diese Mildred kämpft nicht nur für Gerechtigkeit. Da verliert ein Mensch nach und nach jedes Maß und wird so zu einer monströsen Gestalt, die an Shakespeares maßlose Antihelden erinnert. Aber McDonagh hebt nicht nur ihre dunklen Seiten immer deutlicher hervor. Zugleich zeichnet er ein nach und nach komplexer werdendes Bild des Sheriffs und seines Untergebenen.

In den Vereinigten Staaten ist zuletzt sogar eine Diskussion darüber aufgekommen, ob Sam Rockwells vielschichtiges Porträt des rassistischen Polizisten womöglich viel zu große Sympathien weckt. Die Kritiker Rockwells und seiner Figur übersehen dabei, dass es dem für diese Rolle mit einem Golden Globe ausgezeichneten Schauspieler gelingt, die Wurzeln von Hass und Rassismus freizulegen. McDonagh und sein Ensemble zeigen ein Amerika, das sich von Vorurteilen, Unsicherheit und Allmachtsphantasien leiten lässt und dabei riskiert, sich selbst zu zerstören.