Oberhausen. . Bestseller-Autor Wladimir Kaminer ist wieder unterwegs auf Lesetournee. Im Interview spricht er über Familie, geheime Orte und Handtaschen.
Seine Bücher sind Bestseller und seine „Russendisko“-Abende Kult. Seit dem 4. Januar ist Wladimir Kaminer, der in Moskau geboren wurde und seit 1990 in Berlin lebt, wieder unterwegs auf Lesereise. Am 17. Januar präsentiert er im Oberhausener Ebertbad seinen neuen Erzählband „Einige Dinge, die ich über meine Frau weiß“. Vorab sprach Susanne Schramm mit dem 50-Jährigen.
Herr Kaminer, Sie sagen von sich, Sie seien privat ein Russe und beruflich ein deutscher Schriftsteller…
Wladimir Kaminer: Seit ich wieder auf Lesereise bin, nutze ich das Deutsche als berufliche Sprache. Vorher habe ich die ganze Zeit dieses komische russische Silvester gefeiert. Bei uns sagt man zwar, man soll das neue Jahr mit Champagner feiern, aber vorher muss man das alte Jahr mit sehr starkem Alkohol verabschieden. Noch bevor das neue Jahr begonnen hat, ist man also voll im Rausch. Und das Ganze geht über mehrere Tage hinweg…
Was hat Sie dazu bewogen, ein Buch über Ihre Frau zu schreiben?
Meine Absicht war nicht, ein ganzes Buch über meine Frau zu schreiben (es kommen ja auch andere Sachen darin vor), sondern ein Buch über das geheime Wesen der Frau. Nur Frauen können die Welt retten, nur sie besitzen die magische Fähigkeit, aus jedem Chaos eine Ordnung zu machen. Die funktioniert aber nur so lange, wie sie da sind. Ohne Frauen wären alle Dinge sinnlos. Das kann ich als Mann mit Recht behaupten. Ich hätte keine Verwendung für 99 Prozent aller Dinge, die bei uns im Haus stehen.
Ephraim Kishon hat seine Frau „die beste Ehefrau von allen“ genannt. Würden Sie Ihre Frau auch so nennen wollen?
Nein. Natürlich nicht. Ich weiß nicht, welche die beste Ehefrau von allen ist. Meine Frau ist ein sehr komplizierter Mensch. Ich liebe sie in ihrer ganzen Kompliziertheit, mit all ihren Macken und Marotten.
Wie würden Sie sie, in Kürze, charakterisieren?
Sie ist ein unglaublich mutiger Mensch, der ständig Angst hat, dass etwas passieren könnte. Und je mehr Angst sie hat, desto mehr Mut bringt sie auf. Und sie agiert sehr, sehr sicher. Wenn ich, als hypochondrischer Mann, sage: „Ich bin krank!“, dann sagt sie: „Du bist nicht krank“. Und schon bin ich wieder gesund.
Sie haben über Ihre Mutter geschrieben, über Ihre Schwiegermutter, Ihren Onkel, Ihre Kinder und Katzen und jetzt über Ihre Frau. Wie findet Ihre Familie das?
Über die Kinder könnte ich ein neues Buch schreiben, weil sie jetzt erwachsen sind. Mein Sohn entdeckt gerade die Erwachsenenwelt. Er hat seinen ersten Job, er arbeitet in einem Theater in Berlin, als Hausmeister. Er erzählt sehr lustige Geschichten darüber. Um dann zu sagen: „Aber bitte, Papa, schreib das nicht!“ Ich glaube, Sie sind im Grunde genommen stolz darauf. Es stärkt das Selbstvertrauen viel mehr, wenn man nicht nur Mensch, sondern auch ein Stück Literatur ist!
Stimmt alles, was Sie in Ihren Büchern über Ihre Familie schreiben?
Manche Geschichten sind künstlerisch übertrieben, wobei im letzten Buch die meisten Geschichten gar nicht komisch, sondern sehr rührend sind. Aber was die Fakten betrifft, denke ich mir nichts aus. Das wäre dem Leben gegenüber unfair.
Seit über 20 Jahren schenken Sie Ihrer Frau Handtaschen, damit sie den Winter übersteht, den sie nicht leiden kann. Ist Ihre Wohnung sehr groß?
Sie hängen bei uns an den Wänden, im Korridor und an anderen Orten. Meine Frau hat viele geheime Orte, irgendwelche Orte, die früher einmal Kleiderschränke waren. Darin bewahrt sie Dinge auf, von denen nur sie weiß, dass sie da sind und irgendwann ganz sicher wieder einmal gebraucht werden.
Sie sind Russe und haben eine Russin geheiratet. Wären Sie auch mit einer deutschen Frau glücklich geworden?
Ich bitte Sie – ich bin doch kein Nationalist! Die deutschen Frauen sind großartig. Sie sind sehr selbstsicher. Sie haben ihre weibliche Seite, denken aber gleichzeitig durchaus daran, die Welt zu verstehen. Es sind sehr weltoffene Frauen. Das merke ich an meiner Tochter, die an der Humboldt Universität Ethnologie studiert hat. Am wenigsten haben mich die Frauen in Amerika beeindruckt. Sie sind so, so, unglaublich energisch. Man muss sich bei Ihnen als Mann wie ein Cowboy fühlen. Aber ich fühle mich nicht wie ein Cowboy.
Gibt es auch Dinge, die man besser nicht voneinander weiß?
Natürlich. Das gehört unbedingt zu einer glücklichen Beziehung. Man braucht solche dunklen Bereiche, in denen man unter allen Umständen allein ist. Meine Frau nennt das ihren „Individualsack“. In den niemand außer ihr einen Blick werfen darf.
Besteht die Möglichkeit, dass sie demnächst ein Buch mit dem Titel „Einige Dinge, die ich über meinen Mann weiß“ veröffentlicht?
Nein, das wäre zu verspielt für sie. Außerdem sagt Olga, sie hätte der Welt nichts mehr mitzuteilen. Dafür bin ich ja zuständig in der Familie.