. Vier Beine für ein Halleluja: Es gibt kaum eine Krippe ohne Ochs und Esel. Dabei kommen die Tiere in der Weihnachtsgeschichte gar nicht vor.

Als der Stall von Bethlehem wieder menschenleer war, als Maria und Josef mit dem Kind weitergezogen und die Hirten mit ihren Schafen zurück auf dem Felde waren, da waren sie wieder für sich: Ochs und Esel. Zwei Vierbeiner, die den Evangelisten nicht der Rede wert schienen, was wiederum das schöne Paradoxon zeitigte, dass die beliebten Figuren der abendländischen Krippe in der biblischen Weihnachtsgeschichte mit keiner Silbe erwähnt werden.

Dabei sind Ochs und Esel die einzigen, die hier wirklich wohnen, die Platz machen im Stall und ihre Wärme abgeben, die einzigen, die wirklich ihre Herberge teilen mit einer unverheirateten Schwangeren und dem Kind, das sie hier zur Welt bringen wird.

Nutzvieh auf Kirchenputz

Ist es das, was Künstler seit mehr als 1700 Jahren rührt? Was Maler und Bildhauer Platz schaffen ließ für Nutzvieh auf Kirchenputz, Leinen oder Fensterglas, auf Taufstein und Altären, und Ochs und Esel Einzug selbst an die Spitze der Klöster verschaffte – in Form kostbarer Elfenbeinschnitzereien etwa, die die Buchdeckel bildeten für Evangeliare hoher Geistlicher?

Herbert Fendrich, Kunstbeauftragter des Ruhrbistums, datiert die Anfänge solcher Weihnachtsbilder auf „mindestens dreihundert Jahre nach Christi Geburt“. 900 Jahre später, als der Namens-Pate des heutigen Papstes in der Mariengrotte von Greccio das Krippenspiel erfindet, hat Franziskus hinsichtlich der tierischen Beteiligung konkrete Vorstellungen: „Ich möchte sehen, wie es in der Krippe auf Stroh zwischen Ochs und Esel lag“, sagt er 1223 einem Mitarbeiter über die Platzierung des Jesuskindes. Franziskus hätte das nie Inszenierung genannt, es ging ihm ums Staunen über ein Wunder und um die Dokumentation absoluter Einfachheit.

Fleischlieferant und Lastenträger

Einer der ältesten erhaltenen Taufsteine nördlich der Alpen zeigt Ochs und Esel – in Freckenhorst.
Einer der ältesten erhaltenen Taufsteine nördlich der Alpen zeigt Ochs und Esel – in Freckenhorst. © Jakob Ganslmeier

Auf Heu und auf Stroh! Zwei Geschöpfe – am Nasenring geführter Fleischlieferant der eine, geprügelter Lastenträger der andere – sind zu Säulen unserer Vorstellung davon geworden, was in Bethlehem geschah. Dass die Christenheit die zoologische Komparserie der geographischen Verkündigungs-Lage anzupassen versteht, sei der Vollständigkeit erwähnt: Fromme Menschen in Alaska stellen Elch und Eisbär auf.

Als wir vor Wochen in unserer Region die Suche nach Bildern begannen, lagen nicht alle Schätze vor der Tür. Aber Ochs und Esel auf dem Taufstein aus Freckenhorsts St. Bonifatius (Warendorf) gehören unbedingt dazu — ein großer Wurf der Romanik. Manche Betrachter haben dem Esel, der seit 1129 über das Kindlein wacht, ein Lächeln zugeschrieben. Es kommt auf die Sicht an, manchmal genügt auch flackerndes Kerzenlicht.

Von Oberammergau an die Ruhr

Der Maler Wilhelm Buschulte (1923-2013) aus Unna schuf das Kapellenfenster mit Ochs und Esel für das Priesterseminar Collegium Albertinum Bonn.
Der Maler Wilhelm Buschulte (1923-2013) aus Unna schuf das Kapellenfenster mit Ochs und Esel für das Priesterseminar Collegium Albertinum Bonn. © Felix Heyder

Wilhelm Buschulte aus Unna, dem das Land eine Vielzahl an Kirchenfenstern verdankt, wählte für die Bewohner des Stalls mit schöner Entschiedenheit den Ton des Naiven – Tiere sind, wie sie sind.

Ochs und Esel in Mülheims Klosterkirche, auffällig qualitätsvoll gearbeitet, sind dagegen Zugereiste. Erst gab es dort nur Maria, Josef und das Kind. Aber den Menschen der Gemeinde fehlte etwas. Wann genau Grautier und Rind dazugestoßen sind, weiß heute niemand mehr sicher. Immerhin: Um zum Jesulein zu passen, wurden sie im letzten Jahrhundert maßstabgetreu hinzugeschnitzt – ihr Stall liegt an der Ruhr, ihre Wiege aber stand in Oberammergau.