Carine Tardieus „Bretonische Liebe“ ist eine schwermütige Komödie

Eigentlich möchte Erwan Gourmelon zu Hause nur seine Ruhe haben. Sein Job als Minensucher und Bombenentschärfer ist schließlich aufregend und riskant genug. Also klammert sich der Witwer an die Vorstellung, dass seine „Familie banal sei“. Für Außergewöhnliches ist in seinem Leben schließlich kein Platz. Doch so etwas wie „banale Familien“ gibt es in Carine Tardieus gelegentlich angenehm schwermütiger Komödie „Eine bretonische Liebe“ nicht.

Erwans Tochter Juliette (Alice de Lencquesaing) ist schwanger und bringt damit das Leben ihres von François Damiens gespielten Vaters durcheinander. Zum einen kann er nicht fassen, dass Juliette nicht nach dem Mann suchen will, mit dem sie nach einem rauschenden und alkoholgeschwängerten Kostümfest geschlafen hat. Zum anderen bringt ein DNA-Test ein Familiengeheimnis ans Licht, das Erwan aus der Bahn wirft. Eigentlich ging es darum, festzustellen, ob Juliettes Baby vielleicht an einer in der Familie Gourmelon verbreiteten Erbkrankheit leiden könnte. Doch der Test verrät zugleich noch, dass Bastien Gourmelon gar nicht Erwans leiblicher Vater ist.

Diese schockierende Erkenntnis, die Erwan schließlich zu dem alt gewordenen Revoluzzer Joseph Levkine (André Wilms) führen wird, ist aber nicht das Problem, vor dem der Minensucher steht. Eines Nachts lernt er die Tierärztin Anna (Cécile de France) kennen und verliebt sich spontan in sie. Nur ist die eigenwillige, vor Beziehungen zurückschreckende Frau Josephs Tochter.

Natürlich haben die Verwicklungen, in die Erwan durch seine Gefühle für Anna stürzt, etwas Boulevardeskes. Carine Tardieu bedient Komödienklischees, und es fällt einem auch nicht schwer, die Wendungen der Geschichte vorauszuahnen.

Doch die Mechanik des Films ist letzten Endes nur nebensächlich. All die Komplikationen und Klischees sind für Tardieu Mittel zum Zweck. Sie ermöglichen es ihr, auf leichte Weise von alltäglichen Widrigkeiten zu erzählen. In Tolstois „Anna Karenina“ heißt es gleich zu Beginn, „jede unglückliche Familie ist auf ihre Weise unglücklich.“ Genau das gilt auch für die Gourmelons und Levkines in „Eine bretonische Liebe“. Aber ihr Unglück ist keineswegs tragisch, sondern vielmehr alltäglich und bietet ihnen die Chance, sich selbst ebenso wie ihre Vorstellungen von Familie und Liebe zu hinterfragen. Gerade die kleinen, ganz und gar undramatischen Szenen des Films üben einen ganz besonderen Zauber aus.

Herrliche Miniaturen

Tardieu und ihrem exzellenten Ensemble gelingen immer wieder herrliche Miniaturen, in denen sich der Betrachter sofort wiedererkennen kann. Die zaghaften Annäherungsversuche zwischen Damiens’ in sozialen Dingen eher ungeschicktem Erwan und Wilms’ mit seiner Einsamkeit und seinem Alter ringendem Joseph bestechen wie auch die ständigen Frotzeleien zwischen Joseph und Anna durch ihre Natürlichkeit. Voller Liebe und Verständnis erzählt Carine Tardieu von diesen kleinen Unzulänglichkeiten, mit denen jeder tagein tagaus kämpft.