Bonn. . Deutsche Historie bis heute: In Bonn hat die Dauerausstellung des „Haus der Geschichte“ nach rund achtmonatiger Umbauphase neu eröffnet.

Keine Sorge, die dunkelblaue Strickjacke, mit der Helmut Kohl in Michail Gorbatschows Datscha „Gechichte“ schrieb, ist noch da. Brüderlich teilt sie sich mit dem sichtlich weniger geräumigen Skipullover von Gorbi eine Stuhllehne. Aber sonst ist vieles, ja das meiste neu an den Ausstellungsstationen im Haus der Geschichte für die Jahre 1989ff. Nach gut acht Monaten Pause, die das Haus an der Bonner Museumsmeile im UN-Campus (wie das einstige Regierungsviertel jetzt weltläufig genannt wird), mit hochspannenden Depot-Führungen überbrückt hat, ist jetzt wieder die Dauerausstellung zur deutschen Geschichte nach ‘45 zu sehen.

Mitarbeiterausweis am Ground Zero

Und zu hören. Das jüngste Ausstellungsobjekt, der vor einem Jahr am Fraunhofer Institut entwickelte Ausstellungsroboter Eva, spricht mit den Besuchern; der 1,50-Meter-Knirps mit türkisen Augenpunkten auf dem Bildschirmgesicht erzählt was über die Paket-Drohne der Post. Oder zum rostig verbogenen Stahlträger aus den Trümmern des World Trade Centers, der den Ausstellungssektor für die Jahre bis heute überragt.

Wobei wieder zu beobachten ist, dass die Wirkmacht von Ausstellungsstücken nicht selten in umgekehrtem Verhältnis zu ihrer Größe steht. Der Fetzen, der von Sebastian Gorkis Mitarbeiterausweis der Deutschen Bank am Ground Zero geborgen wurde (und den seine Verwandten dem Museum überließen), gehört zu den bewegendsten Dingen – neben der Gebetskette von Enver Simsek, dem ersten Mordopfer der NSU-Terroristen. Oder den Haustürschlüsseln, die von den DDR-Bürgern in der westdeutschen Botschaft in Prag zurückgelassen wurden, nachdem ihnen Hans-Dietrich Genscher vom Balkon der Botschaft unter erleichterten Jubelrufen ihre Ausreise...

Den „Eisernen Vorhang“ abgebaut

Wobei auch die 1,5 Meter ungarisch-österreichischer Grenzzaun mit ihrer Stachelbewehrung schlucken lassen, die der ungarische und der österreichische Außenminister am 27. Juni 1989 bei Sopron gemeinsam durchschnitten. Symbolisch. Ringsum waren die Zäune des „Eisernen Vorhangs“ schon abgebaut, die Grenze war offen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnerte gestern zur Wiedereröffnung daran, Gegenwart und Zukunft nicht zu vergessen: „Die Geschichte endet nicht“.

Bis 1989 springt die Ausstellung der rund 7000 verschiedenen Ge­genstände entlang wie gehabt zwischen Deutschland West und Deutschland Ost hin und her, zwischen Italo-Eissalon-Tresen und FDJ-Fahne, zwischen Aral-Zapfsäulen und Defa-Filmplakaten. Die Ausstellungsmacher haben so manches Einzelstück aus der Ausstellung herausgenommen – man hatte bei Besucherbefragungen feststellen müssen, dass sich die Menschen viel zu schnell erschlagen fühlten von der Masse der Exponate. „Die letzten rund 450 Quadratmeter“, also die letzten Jahre bis zur Gegenwart, „wurden von vielen einfach nur durchlaufen“, sagt Ausstellungsdirektor Thorsten Smidt. Was dummerweise vor allem für die vielen jungen Besucher (Schulklassen!) galt, die den Geschichtsbruch von ‘89 nur aus dem Geschichtsbuch kennen.

Emotionalisierte Ausstellungsstücke

Jetzt sollen emotionalisierte Ausstellungsstücke die Menschen bremsen. Der großformatig fotografierte Mann in eingenässter Jogginghose und Nationaltrikot, der in Rostock-Lichtenhagen den Arm zum Hitlergruß hebt, während der Mob tagelang ein Asylbewerberheim belagert und mit Molotow-Cocktails bewirft. DDR-Ausverkauf und Treuhand-Untersuchungsausschuss, ein Finanzkrisen-Quartett, ein Stück Stoff von der Reichstagsverhüllung und vom „Sommermärchen“ 2006 der Zettel aus dem Stutzen von Nationaltorwart Jens Lehmann, auf dem sein Torwarttrainer die bevorzugten Ecken der argentinischen Elfmeterschützen notiert hatte (im „Schlosshotel im Grunewald“). Am Schluss ein Fingerabdruck-Gerät zur Flüchtlingsregistrierung, das seit 2016 im Einsatz ist, und ein Flüchtlingsboot, auf Malta sichergestellt, bevor es in Köln zum Gottesdienst-Altar wurde.

Die Gelegenheit zum Umbau der Museums-Ausstellung ergab sich übrigens durch Pfusch am Bau. Schon bald nach der Fertigstellung des Museumsbaus 1992 gingen die ersten Scheiben des 2700 Quadratmeter großen Glasdachs zu Bruch. Von den 900 Elementen der Dreifach-Verglasung waren am Ende über 100 kaputt, zum Teil hatte man sie provisorisch durch Blech ersetzt. Nun hat die Dreifach-Verglasung innen auch eine Folie, mit der die schädliche Ultraviolett-Strahlung herausgefiltert wird. Zugunsten der Strickjacke, unter anderem.