Düsseldorf. . Mit Orchesterkäfig, Steampunk-Kostümen und Dampfplaudereien: Andreas Kriegenburgs Düsseldorfer Inszenierung des Brecht-Klassikers.
Die äußerst beschränkten Bedingungen im Düsseldorfer „Central“, dem Ausweichquartier des Schauspielhauses, nötigen Regisseure wie Publikum oft dazu, sich mit den Verhältnissen zu arrangieren. Manchmal aber entstehen aus den Zwängen heraus geniale Bilder: Da sitzt das Orchester, halb versenkt, mitten auf der Bühne, in einem Gitterkäfig, in Kostümen und Masken, die nach Karnevalsfasching im Zirkus aussehen. Es ist praktisch, weil die Band für die grandiosen Songs von Kurt Weill ja irgendwo hin muss, weil irgendwann der verhaftete Macheath an diesem Orchesterkäfig hängen wird und sein Dach als zweite Spielebene dienen kann.
Aber es ist eben auch das in jeder Hinsicht zentrale Bild in Andreas Kriegenburgs Düsseldorfer Inszenierung des Brecht-Klassikers, die am Samstagabend nach dreieinviertel Stunden mit großem, herzlichen Premierenbeifall bedacht wurde. Schon Brecht selbst hat schließlich frühzeitig umgetrieben, dass sich seine „Dreigroschenoper“ ausgerechnet durch ihren weltweiten Erfolg wie ein zahnloser Kunst-Hai aufführte. Das Bürgertum erschrak nicht etwa darüber, dass die Verbrecher sich genauso verhielten und dachten wie sie selbst, sie entwickelten im Gegenteil ein Behagen in der Unmoral und entwaffneten die Satire durch Applaus.
Doppelter Boden der Doppelmoral
Vielleicht ist Kriegenburgs doppelter Boden für die entfesselte, ausgestellte Doppelmoral eine der wenigen Möglichkeiten, die „Dreigroschenoper“ heute noch zu inszenieren, ohne sie dem totalen Konsum preiszugeben. Und in Zeiten, in denen die Milliarden für Flüchtlinge mehr Aufregung auslösen als die Abermilliarden, die der Gesellschaft von Vermögenden und Superreichen vorenthalten werden, kommt ja nach dem großen Fressen nicht mal mehr eine Scheinmoral, sondern blanker Zynismus.
Über diese offene Wunde werden in Düsseldorf allerlei hübsche Pflaster geklebt: Die viktorianischen Steampunk-Kostüme (Andrea Schraad) zur abblätternden weißen Schminke in den Gesichtern oder ein Bettlerkönig Peachum (schön schmierig: Rainer Philippi), der mit dickem Oberlippenbart, Schnarrsprech und Hitlerscheitel daherkommt.
Der großartige Serkan Kaya darf zudem als raffinierter Windhund-Mackie beim Extemporieren mit seinen Akzent- und Dialektfähigkeiten prunken. Überhaupt wird viel gekalauert, gestottert und wortgespielt, zwecks Amüsement und dick aufgetragener Psychoanalyse. Die Verfremdung bleibt aber bloßer Effekt. Immerhin gibt Claudia Hübbecker eine herrlich abgedrehte Frau Peachum, immerhin Lou Strenger eine sinnlichkeitsbebende Polly Peachum mit elegischen Zügen und einer beinahe zu schönen Stimme. Sonja Beißwengers stolzschöne Spelunken-Jenny wirkt da etwas brechtischer.
Am Ende aber sorgen die zeitlos fantastische Musik und ihre frische, mal äußerst subtile, mal umwerfend schmissige Umsetzung, zu der Franz Leander Klee seine Zirkuskapelle antreibt, dafür, dass man auch dieser „Dreigroschenoper“ nichts übel nehmen kann, außer dass sie sich gelegentlich ein wenig hinzieht.
Termine: 15., 21. und 27. November, 8., 10. und 30. Dezember, 5. und 17. Januar (jeweils 19 Uhr) sowie am Silvestertag um 20.30 Uhr.
Karten (7-44 Euro): Tel. 0211/ 36 99 11 oder www.dhaus.de