Dortmund. . Die Oper Dortmund lässt das Musical „Hairspray“ mit musikalischem Schmiss und sensationeller Choreografie über die Bühne zischen. Minutenlanger Beifall.
Musik kennt keine Grenzen oder, wie es im Schluss-Song des Musicals „Hairspray“ heißt: „Niemand stoppt den Beat“. Der macht in Dortmund auch vor dem Premierenpublikum nicht Halt. Minutenlang stehen, klatschen, jubeln die Zuschauer nach einem sensationell choreografierten Finale.
Der Beifall legt noch an Orkanstärke zu, wenn sich die Darstellerin der Tracy Turnblad präsentiert: Marja Hennicke, die das quietschbunte Geschehen so furios dominiert hat, erinnert auch auf den zweiten Blick mehr als nur ein wenig an die mollige US-Schauspielerin Melissa McCarthy, hat gewaltige stimmliche Präsenz, tanzt und wirbelt dabei besser als Britney Spears zu ihren besten Zeiten. Im Opernhaus macht Marja Hennicke aus einer überzeugenden, international besetzten Musical-Inszenierung ein überwältigendes Erlebnis.
Pummelchen mit atemberaubenden Hochfrisur
Baltimore 1962. Während im Studio des lokalen TV-Senders gerade die „Corny Collins“-Tanz- und Musikshow produziert wird, verfolgen die übergewichtige Tracy und ihre Klassenkameradin Penny (Annakathrin Naderer) das Geschehen am häuslichen Schwarzweiß-Bildschirm. Tracy, die sich in den Star der Show, Link Larker (Jörn-Felix Alt), verknallt hat, möchte für ihr Leben gern in der von „Ultra Clutch Hairspray“ gesponserten Sendung vortanzen, an deren Ende die Wahl zur „Miss Teenage Hairspray“ ansteht.
Sie sieht ihre große Chance, als in dem aus Schülerinnen und Schülern Baltimores bestehenden „Komitee“, das in der Live-Show neue, angesagte Tanzschritte präsentiert, ein Platz frei wird. Gegen die Bedenken seiner ebenfalls korpulenten Ehefrau Edna (gespielt von Kammersänger Hannes Brock) unterstützt Vater Wilbur (Fritz Steinbacher) seine Tochter: „Wer Großes werden will, braucht große Träume.“
Und große Charakterfestigkeit. Denn das Pummelchen mit seiner atemberaubenden Hochfrisur wird von Produzentin Velma van Tussle und deren intriganter Tochter Amber nach Strich und Faden gemobbt. Als Tracy sich dann auch noch für farbige Musiker und Mitschüler einsetzt, die anno 1962 nicht gemeinsam mit weißen Jugendlichen auftreten dürfen (van Tussle: „Der Preis ist weiß!“), scheint die „plumpe Kommunistin“ endgültig verspielt zu haben. Sogar die Polizei rückt an. Doch Tracy und ihre neuen Freunde Seaweed (Michael B. Sattler) oder Motormouth Maybelle (Deborah Woodson) schmieden einen Plan – und selbst Link Larker macht mit...
„Hairspray“ ist eine wunderbare musikalische Zeitreise
Mit bösem Wortwitz und der mitreißenden Musik Marc Shaimans („Sister Act“, „Club der Teufelinnen“, „Harry und Sally“), die von den Dortmunder Philharmonikern unter Philipp Armbruster kongenial umgesetzt wird, entwirft das 2002 am Broadway auf der Taufe gehobene Musical ein Gegenbild zu Intoleranz und Dogmatismus.
Ein Bild, dessen Botschaft von der Heilkraft der Musik etwas naiv anmutet und nicht mehr ist als ein schöner Traum, dessen suggestiver Kraft sich der Zuschauer in Dortmund gleichwohl nicht entziehen kann. „Hairspray“ ist eine wunderbare musikalische Zeitreise, auf der man selbst den frühen „Surpremes“ in Gestalt des hochondulierten Damentrios „Dynamites“ begegnet, die aber vor allem mit Marja Hennicke eine überragende Reiseleiterin hat.