Essen. . Ihr Vater war Stahlarbeiter in Duisburg, sie schreibt Gedichte von trotziger Melancholie. Lütfiye Güzel erhält den Literaturpreis Ruhr.

Ihr Ideal ist Literatur, die „echt“ ist. „Ich kann nichts erfinden“, sagt Lütfiye Güzel, „alles, was ich schreibe, habe ich erlebt. Ich will direkt sein, keine Umwege, kein Verschönern!“ So schreibt sie Gedichte von trotziger Melancholie, und die Bände, in denen sie vereint sind, heißen „Herz-Terroristin“ oder „Pinky Helsinki“.

Lütfiye Güzel, 1972 als Tochter eines türkischen Stahlarbeiters aus Hamborn geboren, ist eine der jüngeren Stimmen in der Literatur des Reviers. Und wenn sie eher leise zu vernehmen ist, liegt das an Lütfiye Güzels Eigensinn: Sie verweigert sich den Standard-Wegen des Literaturbetriebs, sie will keinen Verlag, will selbstbestimmt schreiben, ohne Lektor, ohne Werbung, ohne die Grenzen des Marktgängigen. So zeichnen der Regionalverband und das Literaturbüro Ruhr Lütfiye Güzel in diesem Jahr mit dem Literaturpreis Ruhr aus – als „Sprachspielerin, die ihre Arbeit ernst nimmt“.

Literaturpreis für Gedichtbände wie „Herz-Terroristin“

Ihre Verse geben lakonisch durchdachte Alltagsbeobachtungen wieder, ihre Sätze sind knappe, präzise Spieße für Situationen, Atmosphären und markante Momente. Bestellen kann man die Bücher nur bei ihr (lguezel@yahoo.com), und es dauert immer ein wenig, denn der charmante Eine-Frau-Literaturbetrieb, der sie ist, will sich durch das Bücherdrucken nicht vom Schreiben abhalten lassen.

Und dass sie manchmal in Berlin, aber meist in Duisburg lebt? „Ist auch eine Liebeserklärung. Ich brauche beides.“ Die Jury des Literaturpreises fühlte sich von ihren Versen mal an Charles Bukowski, mal an Ingeborg Bachmann erinnert – doch ihr Ton sei unverwechselbar und so wohl nur im Ruhrgebiet möglich.

Neben dem mit 10.000 Euro dotierten Hauptpreis, den auch schon Literaten wie Ralf Rothmann, Marion Poschmann, Frank Goosen oder Fritz Eckenga erhalten haben, werden auch noch zwei Förderpreise verliehen. Dazu hat das Literaturbüro Ruhr den Schreibwettbewerb „Das Klopfen an der Tür...“ ausgelobt, 215 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Ungarn, Spanien, Italien Österreich, der Schweiz und Großbritannien beteiligten sich.

Förderpreise für Erzählungen werden verliehen

Gewonnen haben den mit 2555 Euro dotierten Preis Sascha Pranschke (der das Junge Literaturhaus Köln geleitet hat und als freier Autor und Schreib-Dozent in Dortmund lebt) sowie die Kölnerin Doris Konradi, die 2016 die erste Stadtschreiberin in Hamburg war.

Konradi überzeugte die Jury mit ihrer Erzählung „Der Maulwurf“ über eine Studentin in Bochum, die sich von einem alten Nachbarn beobachtet fühlt. Oft klopft sie an die Tür des Mannes, bekommt ihn aber nie zu Gesicht. Pranschkes Erzählung „Reparaturen“ handelt vom ebenso selbstverständlichen wie unheimlichen Eindringen eines Tiefkühlkost-Vertreters in das Leben eines seiner Kunden.