. John le Carrés Roman „Das Vermächtnis der Spione“ wühlt gekonnt in alten Wunden – ein seriöser Spionage-Roman der alten Schule.
Der englische Agent, der mit seiner Geliebten beim Klettern über die deutsch-deutsche Mauer erschossen wird, machte John le Carré 1963 weltberühmt. Seit „Der Spion, der aus der Kälte kam“, hat den britischen Schriftsteller mit dem semiprofessionellen Blick des Geheimdienstexperten in seinen klugen Romanen vor allem eine Frage beschäftigt: Wie weit dürfen wir gehen, um unsere westlichen Werte zu verteidigen?
In seinem jüngsten Buch, „Das Vermächtnis der Spione“ wühlt er in den tiefen Wunden, die all die geschäftsmäßigen Tricksereien, Lügen und Intrigen hinterlassen haben und arbeitet sich mit mittlerweile 85 Jahren noch einmal an der moralischen Fragwürdigkeit der Agentenbranche ab: Die Kinder eben jenes Pärchens, das einst an der Mauer starb, wollen die britische Regierung verklagen, weil sie davon überzeugt sind, dass ihre Eltern Opfer politischer Ränkespiele wurden.
George Smiley, le Carrés spröder, stets von Gewissensbissen geplagter Lieblingsagent, und sein ebenfalls längst pensionierter Gehilfe Peter Guilliam werden von den neuen Chefs des „Circus“ und ihren Handlangern getriezt, mit alten Protokollen konfrontiert und verhört, um zu klären, warum der eigene Mann in Berlin damals nicht gerettet wurde.
Ein seriöser Spionageroman der alten Schule, gemächlich und trotzdem spannend: Wer den gediegenen, unaufgeregten und präzisen Erzählstil des kühlen Beobachters le Carré schätzt, der findet sich auch hier gut aufgehoben.
John le Carré: Das Vermächtnis der Spione. Ullstein, 320 Seiten, 24 Euro