Düsseldorf. Wenn Eltern die Schulbank drücken – kann das Ergebnis feines Kabarett sein. In Düsseldorfs „Kom(m)ödchen“ hatte das neue Programm Premiere

Hier sitze ich und kann nicht anders. Schüttelnd vor Lachen und Selbsterkenntnis, wie findig im aktuellen Stück „Irgendwas mit Menschen“ die deutsche Mittelstandsgesellschaft portraitiert wird. Mit Pointen, changierend zwischen Schenkelklopfern, intellektuellem „Hö Hö“ und komplizenhafen Lachern, amüsiert das Düsseldorfer Kom(m)ödchen-Ensemble in der neuen Produktion die Zuschauer. Hochgradig. Denn für den Schwank malt das Autoren-Triumvirat Christian Ehring, Dietmar Jacobs und Martin Maier-Bode ein Bild, bei dem statt der Fiktion die Realität überzeichnet. Das birgt den Charme selbst immer jemanden zu kennen, der noch krasser ist als die Bühnenfiguren. Der Erfolg: Identifikation leicht gemacht.

Die Rahmenhandlung nährt sich aus Muttivisionen und Vaterlismus. In Nebenrollen glänzen ein Thermomix, Elvis und Hitler. Ein Elternpaar und zwei Väter treffen sich im Klassenraum, um eine angemessene! Abirede zu erarbeiten. Schließlich hat Muttern Katharina (Maike Kühl) nicht jahrelang die Hausaufgaben von Tochter Fabienne gemacht, damit das Kind am Ende die falschen Worte mit auf den weiteren Lebensweg bekommt. Lösungsansätze wie „Habt Spaß und seid höflich“ wollen erarbeitet werden.

Glucken kennen nur Fittiche und keine Flügel, das verdeutlicht Kühl auf brillante Art und Weise. In diesem Stück decken die Protagonisten das Spektrum der Mittvierziger / Frühfünfziger ab. Da ist Nils (Daniel Graf), der gerne in einer Darth Vader Maske die Abi-Ansprache halten würde und zu Gattin Katharinas Leidwesen in pubertärer Leichtlebigkeit stecken geblieben ist. Martin Maier-Bode schlüpft in die Rolle des links orientieren Lehrers Rainer, der stets die Ungerechtigkeit der Welt im Blick behält. Als Autohändler und Rechtsausleger Frank agiert Heiko Seidel auf der Bühne. Am Ende des Stücks driftet er ins AfD-Sprücheklopferlager ab. Die anderen diagnostizieren einen „Kurzschluss in den Grundeinstellungen“ und holen ihn wieder zurück.

Die Eltern sind uneins, welche moralischen Werte ihren Kindern in den Ohren klingen sollen. Vater Frank erwartet von seinem Sohn, dass er Autohaus übernimmt und hat wenig Sinn für die alles bestimmende Fokussierung auf den Nachwuchs der Co-Eltern. „Das Leben ist nicht nur Sonnenschein - und wenn doch, komme ich und creme dich ein“, singt Katharina in dem hinreißenden Lied über Mutterschaft. Ihre Panik, wenn die - immerhin volljährigen - „Mäuse“ nicht via Mobiltelefon permanent erreichbar sind, führt zu einem Anruf bei der Polizei. Dort geraten die Eltern an einen Beamten, der mehrere hundert Überstunden auf dem Buckel hat. Derartig überarbeitet ist dieser geneigt, eine Grundschulklasse während ihrer Verkehrserziehung mit der Autorität seiner Schusswaffe zur Räson zu bringen.

Einer der Höhepunkte des Abends ist die Liveberichterstattung über die Kulturminister-Konferenz. Der Radioschalte am Ende der Bundesliga-Spiele nachempfunden, überbieten sich die Länder in ihren Missständen. Neben Erheiterndem wie der sinnlichen Beziehung des Thermomix zum simplen Toaster gibt es gibt es Vertrautes für die belehrenden Momente in einem Kabarett. Das Gauland-Zitat von „unser Volk und unser Land zurückholen“ würde Frank als Österreicher nervös machen. Aha. Und dass Adolf Hitler, mittlerweile als Achtbarkeits-Coach tätig, und Elvis zusammen in Bielefeld leben, hat Reize. Sehr schön ist, wie das Wort „Postfaktisch“ anhand der Adilette erklärt wird. „Gefühlt empfindet sich der Träger sportlich, Fakt ist: Es sieht scheiße aus.“ Was letztendlich in einer Abiansprache stehen sollte?„An den Rändern des Wissens herrscht der Zufall.“