Gelsenkirchen. . Zum letzten Mal im Revier, zum letzten Mal auf Tour: Hannes Wader nimmt Abschied in Gelsenkirchen und durchstreift vor 2500 Fans sein Repertoire.

Es geht ihm eher um das Volk als um den Folk, vielleicht singt Hannes Wader deshalb mitunter so nah am Volkslied wie kein anderer deutscher Liedermacher sonst. Weil es aber bald schon vorbei sein wird mit „Heute hier, morgen dort“, stimmt Hannes Wader es wie immer gleich als Erstes an, bei seinem letzten Konzert in Gelsenkirchen, im ganzen Revier. Zehn Mal steigt der Mann mit der Gitarre noch auf die Bühne, am 30. November zum allerletzten Mal in Berlin, die Konzerte seiner „Macht’s gut“-Tournee waren wochenlang ausverkauft, die Schwarzmarktpreise fürs Tempodrom sind schon vierstellig.

Er war als Gitarrist schon immer eher einer aus der Slowhand-Liga, aber nun merkt er seine 75 Jahre. In den Fingern, im Rücken, wenn er eine Stunde auf der Bühne steht, vor der Pause und danach noch einmal. Trotzig sagt er: „Ich möchte jetzt auch gar nicht jünger sein, ich bin einverstanden, so wie es ist.“ Beim Singen stützt er sich, wie so viele seiner Kollegen, auf einen Teleprompter. Und ausgerechnet im Abendrot einer halben Jahrhundert-Karriere entwickelt er mit einem Mal Lampenfieber. Er hört zwar schlecht – aber immer noch genug, um am Anfang des Konzerts unzufrieden mit dem Sound zu sein und die Bühnentechniker nervös um Besserung ringen zu lassen. Aber in der Emscher-Lippe-Halle, wo die Ränge mit fast 2500 Wadersleuten besetzt sind, wird sonst Eishockey gespielt.

Jene Wärme, die ihn so besonders macht

Jetzt aber verbreitet dieser Sänger jene Wärme, die ihn so besonders macht. Und singt erstmals seit Längerem wieder „Es ist an der Zeit“, jenes bewegende Lied am Grab eines Weltkriegssoldaten, der mit 18 für nichts und wieder nichts sterben musste. Der Song stammt aus der Zeit, in der Wader seine vielleicht größte Wirksamkeit entfaltete, als er 1982 bei „Künstler für den Frieden“ in Bochum sang, in den Bonner Rheinauen und auf Ostermärschen. Fast alle in der Halle haben das miterlebt und werden am Ende, nach netto zwei Stunden, mindestens mitsummen bei „Sag mir wo die Blumen sind“, zu dem sie das Hallenlicht anschalten, weil die Menschen sonst wohl noch eine fünfte Zugabe einfordern würden, eine sechste, eine...

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Wader singt das „Bürgerlied“ aus dem Vormärz, er singt die „Moorsoldaten“ und „Zogen einst fünf wilde Schwäne“ und dass er heute um sein Leben singe, was vielleicht nur ein bisschen übertrieben ist. Es geht schließlich kreuz und quer durchs Lebenswerk, von den Anfängen mit der zartbitteren „Begegnung“ über den „Traum vom Frieden“ und das „Hotel zur langen Dämmerung“ aus den 70ern bis hin zu seiner Klamauk-Nummer „Nah dran“ über scheiternde Annäherungsversuche, die gerade mal fünf Jahre alt ist.

Klassenkampf von oben

Waders Gitarrenfinger perlen mit und ohne Stahl fließend über die Saiten, heute eher mit mehr Raffinement und technischer Finesse als früher. In der Stimme kommt er jetzt wieder mit weniger Timbre und Tremolo aus als in den Zeiten, da ihm viel daran zu liegen schien. Seine Ansagen sind wunderbar ungeschwätzig und lakonisch, selbst als er den US-Multimilliardär Warren Buffett als Beleg dafür zitiert, dass der Klassenkampf heute von oben geführt wird, mit unverändert guten Gewinnaussichten. Seine Tourneeplakate verkauft er am Ausgang für fünf Euro, er sammelt damit Spenden für ein Waisenhaus in Kenia. „Macht’s gut“ kann ja mehr als eine Bedeutung haben.

Seine 12 DKP-Jahre hat Hannes Wader längst verarbeitet, an seinen „sozialistischen Grundüberzeugungen“, sagt er, habe dieser zeitweilige Irrtum nichts geändert. Geändert hat sich allerdings Waders Rang und Geltung. Als er in den 70ern seine Hamburger Wohnung an Gudrun Ensslin vermietet hatte, ohne zu ahnen, wer die Frau war und dass sie ein Waffenlager dort einrichtete, wurde Wader in Essen fast von der Bühne weg verhaftet; fünf Jahre lief ein Verfahren gegen ihn, als angeblicher Terror-Sympathisant wurde er noch jahrelang von Radio- und Fernsehsendern boykottiert. Übermorgen aber stimmen sie in seiner Geburtsstadt Bielefeld darüber ab, ob eine Straße nach Hannes Wader benannt wird. Den Antrag dazu hat die CDU eingebracht.