. Mit Spannung erwartet, mit gemischten Gefühlen gesehen. Die Kino-Verfilmung von Stephen Kings „Es“ verrät gute Ansätze durch drastische Blutbäder.
- Mit „Es“ schrieb US-Gruselkönig Stephen King einen seiner berühmtesten Romane. Jetzt kommt die Story um einen bösen Clown ins Kino
- Als „Coming of age“-Geschichte ist Regisseur Andy Muschietti ein wunderbarer Erzählstrang gelungen - mit glänzenden Darstellern
- Der Horror-Kern des Stückes ist enttäuschend. Die Effekte sind überladen, der Zugriff blutig und vulgär. Das nimmt dem Film den Thrill
Wenn es heiter läuft im Leben, sagt man, haben die Leute einen Clown gefrühstückt. Bei Stephen King frühstückt der Clown die Leute. Déformation professionnelle: Wer Horror-Autor als Beruf wählt, kann einfach nicht aufhören, böse zu uns zu sein.
King – staunenswerte 70 seit ein paar Tagen – hat das vielfach getan. Der Mann aus Maine flößte uns Heidenrespekt ein vor Gebrauchtwagen („Christine“). Nach „Carrie“ natzten wir nie wieder hässliche Mitschülerinnen, nie wieder hielten wir Bernhardiner („Cujo“) für des Menschen besten Freund.
Keine Monster-Schikane aber ist in der Fangemeinde so unvergessen wie Kings schrecklich glaubwürdig aufgestellte Behauptung, unsere Kanalisation sei die wahre Heimat des Bösen. Man konnte danach im Grunde nicht mehr in Ruhe aufs Klo gehen. In „Es“ schrieb King über einen Clown, der in Amerikas Provinz Kinder verschwinden lässt, hinab in ein Reich zwischen Gullydeckel und Kloakenseufzern. Dass die stumpfe Bestie langfristig ausgerechnet an der Freundschaft pubertärer Außenseiter scheitert, ist eines der herzwärmenden Märchenmotive der Sorte King as King can.
Ein Logenplatz für Randgestalten: Stephen Kings „Es“ erzählt von einer rührenden Freundesgruppe
2017 nun wird „Es“ kinoreif. Ein großer Film ist es nicht, aber der Buch-Bestseller und eine bis heute (nicht zuletzt durch Tim Currys ekelhaft charmante Horrorharlekinade) maßstäbliche TV-Adaption spülen den US-Kinos seit Wochen Massen an Besuchern ins Parkett.
Hübsch bis anrührend ist der Film da, wo er uns auf Augenhöhe bringt mit dem „Loser’s Club“ von Derry: Fettsack, Brillenschlange, Hypochonder, Stotterer . . . King weist Randgestalten ja gern literarische Logenplätze zu, und Regisseur Andy Muschietti hat diese Runde milchgesichtiger Glücksritter bestechend besetzt. Auch zeigt er Gespür fürs Tempo, kennt eine Grenze der Emotion, die vor Kitsch den Schlagbaum senkt. Und er zeigt ein gutes Auge für liebevolle Details: Als die Truppe keine Sekunde verlieren darf, einem in Prügelfolter leidenden Kumpel zu helfen, schmeißen alle im Schweinsgalopp die Räder ins Gras und preschen los. Stanley Uris aber, das brave Judenkind, klappt erst noch penibel den Fahrradständer aus.
Zusammengeschweißt haben Stanley (Wyatt Oleff), Bill (Jaeden Lieberher), Richie (Finn Wolfhard) und die vier anderen ihre Ängste und Verluste – Bills Bruder ging dem Clown Pennywise ins Netz – , aber durchaus die ganz unfantastische Tyrannei der Erwachsenen. Das ist der gute, filigran gearbeitete Strang des Films, dem Chung-Hoon Chungs Kamera sanft historisch patiniert, obgleich das Drehbuch Kings Original blöderweise von 1958 nach 1988 rückt.
Regisseur Muschietti verlegt die Geschichte von Kings „Es“ 30 Jahre nach vorn
Durchschnittlich dagegen ist das eigentliche Genre geraten: der Horror. Muschietti lässt es Blut regnen, er prasst mit visueller Gewalt. Eingeseift vom akustischen Schwefelschaum des Soundtracks (Benjamin Wallfisch) sehen wir ein Paradebeispiel dafür, wie jemand den Thrill verrät. Muschietti hält in Sachen Spannung Erotik und Exhibitionismus offenbar für dasselbe. Aber regiert nicht unsere größten Albträume die Fantasie?
Dieses „Es“ ist eine offene Grusel-Hose: Man sieht alles und fürchtet darum nichts. Bill Skarsgårds Pennywise schließlich spielt hasenzähnig sehr erwartbar ein Abziehbild von Killernettigkeit. Die Begegnung mit dem Schrecken – bei King etwas fast Intimes – quasselt im Kino disneyplatte Geisterbahn-Rhetorik zu. So muss es ausschauen, wenn Sam Raimi mit den Goonies Schlitten fährt.
Am Ende zieht der Clown etwas beleidigt Leine. Vielleicht braucht er Ruhe. Ende 2019 kommt er wieder und damit „Es II“ ins Kino. Die Helden von damals, sie werden Erwachsene des 21. Jahrhunderts sein; das Böse aber wartet zeitlos im Kanal.