Duisburg. . Erst „Liebe“, dann „Geld“, jetzt „Hunger“: Luk Perceval hat in Duisburg bei der Ruhrtriennale seine ehrgeizige Émile Zola-Trilogie beendet.

Es hatte alles so schön angefangen. Einem Paukenschlag glich Luk Percevals Auftakt zur ehrgeizigen Zola-Trilogie rund um den Romanzyklus „Die Rougon-Macquart“: drei Jahre, zwölf Schauspielerinnen und Schauspieler des Hamburger Thalia-Theaters, ein Großprojekt für die Ruhrtriennale. In der Gießhalle des Duisburger Landschaftsparks erlebten wir 2015 mit „Liebe“ einen hochkonzentrierten Abend, der am Schicksal der Wäscherin Gervaise vom Preis der Liebe erzählte und unserer Beziehung zur Arbeit. Auf „Liebe“ aber folgte „Geld“, leider so ernüchternd, wie der Titel vermuten lässt: Nana, Tochter der Wäscherin Gervaise, war nun die Geliebte eines Kaufhausdirektors – doch dessen Reigen der Spekulationen, den wir schon im realen Leben kaum begreifen, brachten uns auch Percevals formschöne Bühnentänze kaum näher.

Nun also folgen wir am Donnerstagabend Gervaises Söhnen in einen existenziell gemeinten „Hunger“. Dieser aber wandelt auf enttäuschend ausgetretenen, naheliegenden Pfaden – und führt mitten in einen Bergarbeiterstreik. Severine (Patricia Ziolkowska) ist verheiratet mit Roubaud (Stephan Bissmeier), ein herrlicher Pas de deux – doch Roubaud ist eifersüchtig auf Severines früheren Vormund, dummerweise nicht zu Unrecht. Ein Mord geschieht, und der einzige Zeuge Jacques (Rafael Stachowiak als Gervaises erster Sohn) verliebt sich in die unfreiwillige Komplizin Severine. Jacques kämpft mit genau jenen Dämonen, die auch das Mädchen spürte – den Sog dieser Mords-Minute, „in der man mehr lebt als im ganzen Leben“. Wir ahnen früh: Das wird nicht gut ausgehen für Severine.

In einem zweiten Erzählstrang, choreografisch geschickt verflochten, verdingt sich der zweite Gervaise-Sohn Étienne (Sebastian Rudolph) unter Tage und zettelt einen Streik an. Étienne lebt bei der Familie Maheu, deren Tochter Catherine (Marie Jung) er heimlich liebt. Die aber verbindet sich mit dem grobschlächtigen Chaval (Patrick Bartsch). Sind wir noch überrascht, dass Chaval als Streikbrecher Étienne gegenübertritt?

Große Leistung des Ensembles

Die Leistung des Ensembles, das uns auf Annette Kurz’ Wellenbühne einmal mehr große, berührend laute und überwältigend stille Theatermomente beschert, ist nicht genug zu loben. Die drangvolle Enge unter Tage etwa stellt allein die zitternde Kraft gedrängter Leiber dar, das Rasen der Eisenbahn wird gespiegelt im rasanten Wechselspiel der Mimik.

Doch Percevals Versuch, Zolas Romane „Germinal“ und „Bestie Mensch“ gewinnbringend zu verschmelzen, um das Wesen des Menschen in Massen zu erforschen, scheitert. Er muss wohl scheitern in einem Revier, das den Arbeitskampf zu oft selbst erlebt hat, um noch verblüfft zu sein von Wucht und Wut.