ESSEN. . Der George Orwell der Smartphone-Ära: „The Circle“, die Verfilmung von Dave Eggers’ gleichnamigem Bestseller, erobert jetzt die Kinos.

Gegen Rufe nach mehr Transparenz gibt es kaum etwas einzuwenden. Natürlich hilft es einer Demokratie, wenn politische Prozesse und Entscheidungswege durchsichtiger, nachvollziehbarer werden. Schon der Gedanke, dass mehr Offenheit den Einfluss von Lobbyisten eindämmen könnte, hat etwas sehr Verlockendes. Und auch jenseits der Politik ist Transparenz ja wünschenswert – wer wüsste nicht gerne alles über die Dinge, die er Tag für Tag kauft.

Diese Gedanken macht sich der Internet-Unternehmer Eamon Bailey in „The Circle“ zunutze, James Ponsoldts Verfilmung von Dave Eggers’ gleichnamigem Roman-Bestseller. Immer wieder verkündet er: „Etwas zu wissen, ist gut. Alles zu wissen, ist besser.“ Das Erschreckende, das in diesem modernen Glaubensbekenntnis liegt: Komplette Transparenz heißt eben auch komplette Kontrolle. Aber es lässt sich leicht ausblenden.

Ein Konglomerat aus Apple, Facebook und Google

Das Gute überwiegt das Zerstörerische. Davon ist zumindest die junge Mae Holland (Emma Watson) überzeugt. Dank ihrer Freundin wird sie Teil vom „Circle“, Baleys Mega-Unternehmen, das wie ein Konglomerat aus Apple, Facebook und Google wirkt, und entflieht so einem trostlosen Job in einem trostlosen Call-Center. Das riesige Firmengelände mit Grünflächen und Sportplätzen, weitläufigen Büroflächen und imposanten Panoramafenstern raubt Mae den Atem. Alles hier unterstreicht den Anschein von Transparenz und Freiheit.

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Die ständigen Hinweise, dass sie doch die vielfältigen Freizeitangebote der Firma nutzen und all ihre Erfahrungen auf der Social-Media-Plattform des „Circle“ teilen soll, irritieren sie zwar. Aber das messianische Auftreten von Eamon Bailey und die hervorragende Krankenversicherung, von der alle Angestellten und deren Familienangehörige profitieren, nehmen Mae bald alle Zweifel. Wer ständig zu hören bekommt, dass sein Arbeitgeber die Welt verbessert und die Menschen in eine glücklichere Zukunft führt, wird entweder verrückt oder selbst zum Missionar. Mae wählt den zweiten Weg und steigt dank ihres großen Charmes zum Star des Unternehmens auf.

Lückenlose Überwachung und totalitäre Kontrolle

Schon Eggers’ Roman schwankt zwischen den anti-utopischen Ängsten vor lückenloser Überwachung und totalitärer Kontrolle á la Orwell und Huxley und satirischen Seitenhieben auf die High-Tech-Konzerne im Silicon Valley. Aber er entwickelt daraus die Schreckensvision einer Zukunft, die längst begonnen hat. In Ponsoldts Verfilmung kommen diese beiden Motive dagegen kaum zusammen.

Die totale Überwachungsphantasie, die Eamon Bailey mittels winziger, überall im öffentlichen Raum platzierter Mini-Kameras Wirklichkeit werden lässt, verliert an den lichtdurchfluteten Stränden Kaliforniens und in schicken Großraumbüros viel von ihrem Schrecken. Es deutet sich zwar an, dass „The Circle“ durchaus in einen düsteren Thriller kippen könnte, aber hier wird der Film immer wieder unverbindlich, woran auch Tom Hanks seinen Anteil hat. Er spielt Bailey als jovialen Wiedergänger von Steve Jobs. Der Internetunternehmer als Guru einer neuen Zeit – das bringt keinerlei Erkenntnisgewinn.

So gelingen Ponsoldt die stärksten Szenen, wenn er sich ganz auf Mae konzentriert. Emma Watson gelingt es, dieser fast klischeehaften Figur, die sich zu schnell und zu leicht verführen lässt, Tiefe zu verleihen. In ihrem differenzierten Spiel, in dem sich neben Meas Enthusiasmus auch unterdrückte Zweifel manifestieren, offenbart sich eine innere Zerrissenheit, über die das Drehbuch leider hinweggeht. Dass sich Menschen manchmal gern verführen lassen, hat ja Gründe.