Bayreuth. . Am Ende erlöst Parsifal nicht nur die Gralsritter, sondern alle Religionen dieser Welt. Damit zeichnet Regisseur Uwe Eric Laufenberg auf dem Grünen Hügel entweder die gutgläubige Utopie einer friedlichen Welt oder die größenwahnsinnige Vorstellung, das Christentum könne auch alle anderen Glaubensrichtungen heilen.
Am Ende erlöst Parsifal nicht nur die Gralsritter, sondern alle Religionen dieser Welt. Damit zeichnet Regisseur Uwe Eric Laufenberg auf dem Grünen Hügel entweder die gutgläubige Utopie einer friedlichen Welt oder die größenwahnsinnige Vorstellung, das Christentum könne auch alle anderen Glaubensrichtungen heilen.
Bei der Premiere der zweiten Auflage von Laufenbergs „Parsifal“-Inszenierung gibt es im Festspielhaus nur wenige Buhrufe für die Regie. Die Interpretation tut keinem weh und hat nicht genug Fallhöhe, um zu polarisieren. Rauschenden Beifall spendet das Publikum einem Weltklasse-Sängerensemble mit dem Attendorner Bass Georg Zeppenfeld als Gurnemanz. Ein „Parsifal“ in dieser stimmlichen Qualität über alle Partien hinweg wird nicht leicht wieder zu finden sein.
Kein Klischee wird ausgelassen
Mitten im vergessenen Nirgendwo eines nahöstlichen Bürgerkriegsgebiets harrt eine kleine Truppe von Mönchen in einer von Bühnenbildner Gisbert Jäkel entworfenen verrottenden Kirche aus. Sie versorgen Flüchtlinge und pflegen abscheuliche Rituale. Der Gralskönig Amfortas wird von seinen Mitbrüdern gezwungen, wieder und wieder die unheilbare Wunde an seiner Seite zu öffnen, damit sie sich an seinem Blut laben können. Allen voran sein greiser Vater Titurel klammert sich so egoistisch ans Leben, dass er den Sohn zwingt, seinetwillen unvorstellbare Qualen zu erleiden. In diesem hartherzigen Milieu soll der reine Tor Parsifal das Mitleiden lernen.
Beeindruckt dieser erste Akt noch mit interessanten Bildern, wechseln wir bei Klingsors Zauberschloss dann direkt nach Oberammergau. Klingsor ist der schwarze Schatten des Amfortas; er hat sich ein türkisches Bad mit Votivkammer errichtet, und während er sich selbst geißelt oder seine Kruzifixe poliert, genießt Amfortas die Dienste Kundrys. Laufenberg lässt hier kein Klischee und keine Männerphantasie aus.
Großartiger Festspiel-Chor
Die Blumenmädchen tragen Burkas, die sie sich aber sofort vom Leib reißen, sobald Parsifal in seiner Milizionärs-Uniform auf den Plan tritt. Die Kampfmontur tauscht der Erlöser später gegen den Kommunionsanzug aus, um mit dem Heiligen Speer Amfortas zu heilen und Vertreter aller Glaubensbekenntnisse glücklich zu machen. Das sind Momente, die man nur erträgt, weil der Festspiel-Chor so großartig singt. Laufenberg entwirft das Bild einer schwül-schwülstigen, sexualverklemmten Religiosität, das mitunter unfreiwillig komische Züge annimmt, etwa, wenn sich im dritten Akt die Wüste in einen Dschungel verwandelt hat, aus dem sich unanständig fleischige Pflanzen begehrlich in die Trümmer des Kirchleins recken und beim Karfreitagszauber Naturschönheiten im Regen plantschen.
Georg Zeppenfelds Gurnemanz ist der Chronist dieser Ereignisse, und er ist auch der einzige der Brüder, der zwischen den Welten wandert, dem Fladenbrot ebenso recht ist wie Plastikflaschen-Wasser. Der Sauerländer gehört zu den besten Bässen der Welt und gestaltet diese Riesenpartie mit schön geführter und in wunderbaren lyrischen Bögen angelegter Stimme, die auch in der Höhe frei und sicher schwingt und dabei vollendet textverständlich artikuliert.
Andreas Schager hat den Parsifal von Klaus Florian Vogt übernommen, der in diesem Jahr in den „Meistersingern“ den Walther gibt. Der Tenor debütiert damit in Bayreuth und legt den vaterlosen, völlig verwilderten Jüngling mit frischem Heldentimbre und metallischen Glanzlichtern an. Sopranistin Elena Pankratova kann als Kundry eine unglaubliche Bandbreite an Farben abrufen, vom tiefen Sprechgesang bis zum weitgespannten Ausbruch in der Höhe. Bassbariton Ryan McKinny ist ein geschundener Amfortas, der seine Stimme vor Schmerzen regelrecht farblos werden lassen kann. Bass Günther Groissböck gehört zu den Bayreuther Stimmentdeckungen. Er ist in den aktuellen „Meistersingern“ der Pogner, löst nächstes Jahr Georg Zeppenfeld als Gurnemanz ab, weil der dann den König Heinrich im „Lohengrin“ singt und wird beim neuen „Ring“ 2020 der Wotan. Bei der „Parsifal“-Premiere springt er als Titurel ein und verwandelt den uralten König in einen selbstsüchtigen Despoten, der sich mit gierigen Fingern an ein geborgtes Leben krallt.
Rauschhaftes Klangerlebnis
Der „Parsifal“ ist die letzte Oper Richard Wagners und die einzige, die er für die akustischen Besonderheiten des Festspielhauses komponieren konnte. Dirigent Hartmut Haenchen gestaltet die Partitur zu einem rauschhaften Klangerlebnis. Dabei liest Haenchen weniger die kompositionstechnische Modernität aus dem Notentext heraus als vielmehr die hochromantischen Psychogramme.
Von Anfang an sitzt ein Statist reglos hinter einem Gitter auf dem Dach der Kirche. Über seine Funktion wird im Publikum viel gerätselt. Vermutlich soll er ET darstellen, der sich als Außerirdischer anschaut, was die Erdlinge da alles im Namen der Religion treiben.