Gelsenkirchen. . In der Schalker Fußballarena brauchten die Synthpop-Meister ein Weilchen, um bei allen Fans zu punkten. Am Ende siegten sie dennoch knapp.
Wenn eine Band weltweit von Superlativ zu Superlativ, von Stadion zu Stadion eilt, wie es Depeche Mode derzeit auf der „Global Spirit Tour“ tut, kann es ja durchaus mal vorkommen, dass sie zwischendurch auf hohem Niveau stagniert. Da bräuchte sie, der Kalauer sei verziehen, schon einen eigenen, persönlichen Jesus, um das zu vermeiden. Aber wer das Trio Gahan, Gore und Fletcher, das ja erst vor einem Monat das Kölner Stadion gefüllt hat, schon ein paar Mal live sehen durfte, der hat mit einiger Garantie schon euphorischere Momente erlebt als beim Gastspiel in der Schalker Arena vor 45 000 Zuschauern.
37 Jahre auf der Bühne, 14 Studioalben, eine ungebrochene Bühnenpräsenz des Führungsduos Dave Gahan und Martin Gore, große Gefühle in den Songs und in den ersten Reihen vor der Bühne. Doch wer das Publikum an diesem Abend jenseits des vorderen Drittels beobachtet, muss feststellen: Die Ekstase reicht lange Zeit nicht bis auf die hinteren Ränge. Was verständlich ist, angesichts der schieren Entfernung zwischen der Bühne und der gegenüberliegenden Seite des Stadions. Das Phänomen der gebremsten Begeisterung lässt sich auch durch die Faustformel erklären: Je älter und größer der Hit, desto raumgreifender die Euphorie.
Verzögertes Ausrasten
Was aber an diesem Abend nur bedingt galt. Nach einer ersten Hälfte, die aus vielen neueren Songs und mittelgroßen DM-Klassikern bestand, wäre gegen 22 Uhr beim 1983er-Hit „Everything Counts“ eigentlich kollektives Ausrasten angesagt gewesen. Das hielt sich aber in Grenzen, setzte auch beim hübschen, atmosphärischen „Stripped“ noch nicht ein. Es musste schon das riesengroße Geschütz aufgefahren werden, nämlich der Über-Hit „Enjoy The Silence“, um auch die hinterletzten Ränge in Wallungen zu versetzen.
Immer auf Tour
Exakt 100 Konzerte spielen Depeche Mode auf ihrer „Global Spirit Tour“. Die Band war erst im Juni im Kölner Stadion, kehrt aber schon am 15. Januar in die Arena der Stadt zurück. Karten an den bekannten Vorverkaufsstellen, unter 0201/804-6060 und www.ruhrticket.de.
Die Popularität von Depeche Mode übersteigt längst die Dimensionen eines Fußballstadions. Weltweit reicht es Clubbesitzern, auf ein Plakat „Depeche Mode Party“ zu kritzeln, einen fachkundigen DJ zu engagieren – schon ist die Tanzfläche gerammelt voll. Und noch einmal heftiger, wenn man eine Depeche-Mode-Tribute-Band engagiert.
Live gelingt den drei Briten ein erstaunlicher Trick: Sie täuschen darüber hinweg, dass sie Synthiepop machen, dass viel vom Fundament der Songs an Elektronik und Schlagzeug hängt. Die Täuschung gelingt, weil Dave Gahan als Sänger gierig nach Aufmerksamkeit heischt. Er flirtet, er rockt, wackelt mit den Hüften, gibt sich mal tuntig, mal aggressiv. Und der zurückhaltende Martin Gore, der auch Synthiespieler und Songschreiber ist, gibt live den Gitarristen und offenbart bei Songs wie „A Question Of Lust“ und „Home“, dass er ein begnadeter Sänger mit gewaltigem Stimmumfang ist. Aber eben der eher Schüchterne in der Band.
Kein Grund, unzufrieden zu sein
Dennoch werden wenige Fans die Schalker Arena an diesem Sommerabend unzufrieden verlassen haben, immerhin gab es am Ende des Hauptteils noch ersehnte Hits wie „Never Let Me Down Again“ und „Walking In My Shoes“, zudem ein zaghaftes Cover von Bowies „Heroes“ und den abschießenden Über-Hit „Personal Jesus“ – ein Set, das dem aus Köln zum Verwechseln ähnlich war. Nicht wenige werden wohl darauf spekulieren, dass sie beim nächsten Konzert in der Nähe die Songs nachgeliefert bekommen, die sie während der mehr als zwei Stunden vermisst haben. Schon am 15. Januar ist es denn auch so weit, da sind Depeche Mode wieder in der Kölner Arena.
Depeche Mode live in Gelsenkirchen
