ESSEN. . Kanonenhall im Mädchenpensionat: Sofia Coppola hat Thomas Cullinans düster-stickigen Roman „The Beguiled“ verfilmt. Das Ergebnis ist sehenswert.

Jenseits der Mauern des Farnsworth Pensionats für Mädchen wütet seit gut drei Jahren der amerikanische Bürgerkrieg. Aber innerhalb der Mauern, in der alten, längst viel zu großen Plantagen-Villa und in dem verwunschenen Garten, der sie umgibt, scheinen die Uhren noch anders zu gehen. Gelegentlich trägt der Wind den Donner der Kanonen von den Schlachtfeldern zu den verbliebenen fünf Schülerinnen und ihren Aufseherinnen, der Schulleiterin Martha Farnsworth und der Lehrerin Edwina Dabney, herüber. Aber den nehmen diese Eingeschlossenen ebenso wenig wahr wie den schwarzen Rauch am Horizont.

„Die Verführten“, Sofia Coppolas Verfilmung von Thomas Cullinans Roman „The Beguiled“, vereint das eigentlich nicht Vereinbare. Er spielt mitten im Krieg, der die sieben Frauen und Mädchen natürlich doch noch einholt, und erzählt von einem Idyll, dem nichts etwas anhaben kann. Und das ist nur einer von vielen Widersprüchen, die Sofia Coppola diesem Stoff entlockt. Auch die Figuren sind in ihrer romantischen und doch sehr kühlen Annäherung an den düster-stickigen Roman viel ambivalenter gezeichnet als noch in „Betrogen“, Don Siegels schon 1970 entstandener Adaption mit Clint Eastwood und Geraldine Page.

Vor eine schwierige Entscheidung gestellt

Als die zwölfjährige Amy (Oona Laurence) nahe der Schule den verletzten Nordstaaten-Soldaten John McBurney (Colin Farrell) findet, wird die von Nicole Kidman gespielte Schulleiterin vor eine schwierige Entscheidung gestellt. Eigentlich müsste sie den Kämpfer den Südstaaten-Truppen ausliefern. Doch nach erstem Zögern erklärt sie sich bereit, ihn gesund zu pflegen. Mit McBurney kommt aber nicht nur ein Mann des Krieges in die abgeschlossene Welt. Zugleich hält auch die Sehnsucht Einzug in dieses seltsame Paradies.

Colin Farrells McBurney ist ein sanfter Verführer und Manipulator. Instinktiv weiß er, wie er die distanzierte Martha Farnsworth und die vor unterdrückter Leidenschaft geradezu bebende Edwina Dabney, die bei Kirsten Dunst ungeheuer scheu und doch extrem stark wirkt, gegeneinander ausspielen kann. Auch die fünf Mädchen, allen voran die nach ersten erotischen Abenteuern gierende Alicia (Elle Fanning), verfallen ihm fast umgehend. Dennoch bleibt McBurney ein Spielball der Frauen. Er verführt sie und ist doch machtlos.

Spiel mit Geschlechter-Klischees

Sofia Coppola spielt mit Geschlechter-Klischees und unterläuft sie konsequent. Letztlich halten sich alle Figuren des Films für stärker, als sie sind. So wird aus Don Siegels drastischem Schauer-Märchen, das den Kampf der Geschlechter mit dem Bürgerkrieg gleichsetzt, eine allen Zeiten und Orten enthobene Sage, die in ihrer Archaik fast an die Erzählungen aus Ovids „Metamorphosen“ heranreicht. In traumhaft schönen Bildern malt Sofia Coppola die Verheerungen aus, die das Begehren und die Angst vor ihm auslösen.