Essen. . Bestsellerautor Jan Weiler im Gespräch über Handy-Rituale, sinnloses Dauergemecker und die Heilkräfte des (rheinischen) Humors
Wenn die bezaubernde Tochter in die Pubertät gerät, dann kann man sich über irrationale Wutanfälle und stundenlanges Whatsappen prächtig ärgern. Oder über das „Pubertier“ schreibend schmunzeln. Jan Weilers Bucherfolg geht in der kommenden Woche mit „Und ewig schläft das Pubertier“ in die dritte Runde, zeitgleich kommt die Verfilmung ins Kino – und im Herbst folgt eine sechsteilige ZDF-Serie. Britta Heidemann sprach mit dem 49-Jährigen über einen Siegeszug des Humors, der seinen Ursprung im Rheinland hat.
Ihre beiden großen Erfolge, „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ und die Pubertier-Serie schöpfen aus dem Privatleben Ihrer Familie. Wie findet die das?
Das wirkt nur so, entspricht aber nicht der Realität. Meine Kinder stehen nicht für jede Zeile Pate, die in den Büchern steht. Das ist ein inszeniertes, ausgedachtes Familienleben. Im Freundeskreis meiner Kinder ist das kein Thema, zum Glück.
Leander Haußmann verfilmt das Pubertier, zu sehen sind etwa Heike Makatsch, Detlev Buck – und Sie selbst werden gespielt von Jan Josef Liefers. Das ist schon ein Ritterschlag, oder?
Das ist schon ganz schön, ja. In „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ wurde der Erzähler von Christian Ulmen gespielt. Leander und ich hatten Jan beim Drehbuchschreiben schon im Kopf. Wir dachten, der wäre richtig, und es war dann auch so.
Und, fühlen Sie sich von Ulmen oder Liefers besser getroffen?
Das kann ich so gar nicht sagen. Der erste Film spielt ja vor der Geburt der Kinder, und die Jan-Josef-Figur ist viel älter. Jeder zu seiner Zeit ist perfekt besetzt. Als wir jetzt beim Dreh zusammenstanden, sagte meine Tochter plötzlich zu Jan: Ey, du bist genauso wie mein Oller! Das hat ihn natürlich sehr gefreut.
Sie sind in Meerbusch aufgewachsen – ist Ihr Humor also rheinisch?
Ich habe in meiner Humorausbildung schon sehr davon profitiert, dass ich Rheinländer bin. Als Junge war ich viel im Kommödchen in Düsseldorf. Der größte Ritterschlag meiner Karriere war – weil Sie gerade danach fragten – als Kay Lorentz mich im Jahr 2009 fragte, ob ich im Kommödchen auftreten möchte. Inzwischen bin ich jedes Jahr dort, im vergangenen Jahr an vier Abenden.
Und Hanns Dieter Hüsch haben Sie dann damals auch inhaliert, oder?
Hanns Dieter Hüsch, natürlich! Einmal trat er in der Schule in unserer Aula auf. Im zweiten Teil saß plötzlich ein Mitschüler neben ihm. Der hatte mit einem anderen Jungen gewettet, dass er es schaffen würde, nach der Pause eine Viertelstunde neben Hüsch zu sitzen. Und Hüsch improvisierte dann geschlagene 15 Minuten lang über diese Wette – das war sprachlich so originell, so großartig. Der beste Spoken-Word-Auftritt, den ich je gesehen habe!
Wie war Ihre eigene Pubertät im beschaulichen Meerbusch?
Die war recht behütet, aber sehr laut. Ich habe noch zwei Brüder, wir waren ein wilder Haufen. Mein kleiner Bruder und ich spielten beide Schlagzeug. Also, jeder eins. Und mein großer Bruder E-Gitarre. Und wir hatten jeder eine Stereoanlage. Ansonsten war ich ein schüchterner Bengel, nicht sehr gut in der Schule, und viel mit mir selbst beschäftigt. Im Nachhinein denke ich, ich war blöderweise zu schüchtern...
Inwiefern?
Ich habe das Prinzip Mädchen nicht verstanden. Eigentlich bis heute nicht.
Wie ist Ihr Eindruck: Ist Pubertät heute tatsächlich anders als früher?
Besonders auffällig finde ich, dass Mädchen und Jungen heute mit einem Bewusstsein durch diese Phase donnern, das mir damals völlig abging. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das Thema Pubertät meinen Eltern gegenüber erwähnt hätte, als ich in der Pubertät war. Meine Kinder machen das dauernd, nach dem Motto: Papa, das musst du doch verstehen! Und dann bringt die Nutzung der sozialen Medien enormes Tempo in die Beziehungen. Die haben viel mehr, viel schnellere – und auch viel schneller sich erledigt habende – Beziehungen als wir früher. Ich bewerte das nicht, finde das nur unheimlich anspruchsvoll.
Sie schreiben über seltsame Rituale rund um das „Wegdrücken“ von Gesprächen...
Das Nichtannehmen eines Telefonats auf einem Handy ist ja ein Statement. Für die Jugendlichen heute heißt das: Der will mich reizen, mich herausfordern, den rufe ich nochmal an. Und wenn ein Rückruf kommt, dann drücke ich den extra auch weg. Damit bekundet man gegenseitiges Interesse. Das ist gewissermaßen eine neue Form der nonverbalen Kommunikation. Wir waren früher froh, wenn wir überhaupt mal von jemandem angerufen wurden – da hätten wir doch nie aufgelegt!
Wie kommentieren Sie diese Dinge, so im realen Leben?
Ich mag es nicht, wenn Eltern ihren Kindern ständig mitteilen, was sie nicht gut finden. Dieses Dauergemecker. Mein Sohn hört diese deutschen HipHopper, das finde ich schwierig – auch wegen des Frauenbildes. Aber es steht mir gar nicht zu, das zu verurteilen. Ich bin unheimlich froh über alles, was die Kinder mir erzählen, wo sie mich ins Vertrauen ziehen.
Wenn es um das Handy bei Tisch geht, haben Sie aber schon eine klare Meinung.
Das Handy gehört nicht an den Esstisch, das finde ich einfach unhöflich. Wir decken daheim immer den Tisch sehr schön, es gibt immer richtiges Essen. Das muss man würdigen. Da bin ich durchaus in der Lage, Regeln aufzustellen.
Wie wichtig ist Humor in der Erziehung?
Natürlich kommt der Humor bei uns vor, aber nicht immer. Es gibt Momente, da muss es auch mal ohne gehen. Ich finde aber Humor wahnsinnig wichtig, auch in Partnerschaften. Es wird vieles einfacher, wenn man einen Schritt zurücktreten kann und sagen: Sind wir nicht eigentlich gerade eine wahnsinnig gute Loriot-Szene?
Jan Weiler wurde 1967 in Düsseldorf geboren und lebt heute mit Ehefrau, Tochter und Sohn nahe München.
Der Roman „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ (2003) verkaufte sich über zwei Millionen Mal, die beiden ersten „Pubertier“-Bücher 1,1 Millionen Mal.