Duisburg. . Bei der Duisburger „Traumzeit“ schauten knapp 25 000 Besucher bis Sonntagabend im ehemaligen Hüttenwerk vorbei. 37 Künstler und Bands waren da.

  • Die „Traumzeit“ in Duisburg ist zu Ende gegangen. Diesmal kamen am Wochenende fast 25000 Menschen in den Landschaftspark Nord.
  • Rekordverdächtig war der Anteil der jungen Zuschauer. In deren Zustrom spiegelt sich auch die neue Bandbreite der Musik.
  • Zwei von drei Festivaltagen waren ausverkauft - eine starke Bilanz für den vielgesichtigen Duisburger Veranstaltungsmarathon.

Die „Traumzeit“ ist nicht nur in einen Jungbrunnen gefallen, sie hat gleich ein Vollbad darin genommen. Nie zuvor in der 20-jährigen Geschichte des Musikevents im Meidericher Landschaftspark Nord tummelten sich so viele Künstler, aber auch Besucher der Altersklasse „Unter 30“ auf und vor den vier Bühnen. Diese neue freche Frische mag die entscheidende Rolle dabei gespielt haben, dass das „Festival unterm Hochofen“ diesmal auch aus kommerzieller Sicht seine Rekordmarken knackte.

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Zwei von drei Festivaltagen waren ausverkauft, knapp 25 000 Besucher schauten bis Sonntag Abend im ehemaligen Hüttenwerk vorbei, um bei bestem Wetter den Auftritt von 37 Künstlern und Bands inmitten der atemberaubenden Industriekulisse zu erleben.

„Die Resonanz ist der Wahnsinn. Wir freuen uns, dass unser Konzept aufgeht“, sagte Festivalmacher Frank Jebavy. Deutlich auch das Bekenntnis von Oberbürgermeister Sören Link bei der Eröffnung am Freitag: „Die Traumzeit ist eine Säule im Fundament der Duisburger Kulturlandschaft und genießt überregionale Strahlkraft.“

Das neuen Konzept des Festivals „Traumzeit“ zieht viele junge Besucher nach Duisburg

Solch warme Worte waren zuvor nur selten zu hören. Viele Kulturpolitiker der Stadt fremdelten mit dem neuen Konzept. Nach ihrer Erstauflage im Jahr 1997 hatte die „Traumzeit“ lange im Zeichen von Jazz und Weltmusik gestanden. Das geneigte Publikum schätzte dieses Nischendasein, blieb in seiner Anzahl aber stets überschaubar. Erst mit der Öffnung für andere Genres wie Indie-Pop oder Alternative Rock zu Beginn dieses Jahrzehnts erhielt das zuvor eher kopflastige Musikertreffen die dringend benötigte Frischzellenkur.

Sinnbildlich dafür mag der Auftritt von Alice Merton am Freitagabend stehen: Mit „No Roots“ hat die Deutsch-Britin (23) bereits ei­nen heißen Anwärter auf den Titel „Song des Jahres“ abgeliefert. Doch die zierliche Frau hat mehr drauf als nur einen Hit. Sie nimmt mit ihrer Präsenz die Bühne in der brechend vollen Gießhalle ein, plaudert charmant und zweisprachig über sich und ihre Songs – und baut so jene unsichtbare, aber unverzichtbare Emotionsbrücke zum Publikum auf. Dieses dankt Merton bis weit nach Mitternacht auf seine Weise: in dem es tanzt und singt, hüpft und springt. Voller Verausgabung. Auf beiden Seiten.

Furore machte das Festival im Landschaftspark auch mit den „Jungen Wilden“ unter den Musikern

Auch andere junge Wilde sorgen für Furore: wie Jesper Munk (25). Die Stimme des Münchners klingt beim Sprechen derart rauchig, als habe er die Nacht in einer Whisky-Bar verbracht. Beginnt er aber den Blues zu singen, wird sie zum vollmundigen Brandy für die Ohren. Oder „Von wegen Lisbeth“: Die fünf Berliner – alle Mitte 20 – warten nicht nur mit klugen, deutschen, oft selbstironischen Texten auf („Jetzt hab ich 99 Probleme, und du bist jedes davon!“), sie bringen ihre Fans auf dem Cowperplatz im Schatten der beleuchteten Hochöfen auch zum Kochen.

Diese Kunst beherrscht auch Tom Odell (26). Er gibt bei seinem umjubelten Auftritt den Entertainer, hämmert nicht nur im Stehen auf die Tasten seines Pianos ein, sondern klettert auch darauf, um mit der Masse vor ihm Luftgitarre zu spielen. Auch dieser Auftritt: ein Traum. Wie das gesamte Festival.

>> FRANK JEBAVY TRITT ALS FESTIVALLEITER ZURÜCK

Was für ein Paukenschlag: Bei der Vorstellung der Festivalbilanz am späten Sonntagnachmittag erklärte Frank Jebavy seinen Rücktritt als Festival-Leiter. „Ich brauche eine Luftveränderung. Und das Festival braucht einen neuen Impuls“, begründete Jebavy seinen unerwarteten Schritt. Jebavy tritt auf dem Höhepunkt ab. Die knapp 25 000 Besucher der „Traumzeit“ bedeuteten einen neuen Publikumsbestwert seit der Neuausrichtung des Festivals im Jahr 2013. Stärkster Tag war der gestrige Sonntag mit der gefeierten Band Milky Chance aus Kassel als Headliner. (F.P.)

Ein Festival im Wandel

Vielfalt ist Programm

1997 steigt es zum ersten Mal - das Traumzeit Festival. Mit den Konzerten großer Jazz-Stars fing unter den Hochöfen des Landschaftsparks einst alles an. Zunächst als einmaliges Event geplant, entwickelt sich das Festival zu einem Dauerbrenner in Duisburg und der Region. Bis zum Jahr 2008 konzentriert sich das Festival auf die Musikrichtungen des Jazz und der Weltmusik. Seit 2009 hat das Festival einen musikalischen Wandel durchlaufen, zeitgenössische Musik, Vielfalt und stilistische Grenzüberschreitungen zum Programm gemacht. Jazz, Pop, Weltmusik, Elektro, Indie oder Klassik stehen jetzt gleichberechtigt nebeneinander.Wir blicken auf 20 Jahre Traumzeit Festival. Auf viele schöne, besondere, aber auch skurrile Momente am Hochofen.

1997: Zum ersten Mal Traumzeit am Hochofen

Zunächst war das Traumzeit-Festival in den Veranstaltungen der Duisburger Akzente eingebettet, die seit 1978 alljährlich im Mai stattfinden. "Das Traumzeit sollte erstmal nur eine einmalige Sache sein, die den Startschuss geben sollte, den Landschaftspark in einen Raum voll Kultur zu verwandeln", sagt Gerd Bracht, Mann der ersten Stunde und heute für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Es geht weiter

"Viele Leute haben uns immer wieder gefragt, wann denn endlich die nächste Traumzeit steigt. Die Begeisterung war so groß, dass wir einfach weiter machen mussten", erklärt der Mann für die Öffentlichkeitsarbeit. Damals noch mit einer Bühne an der Kraftzentrale, an der 15 bis 20 Bands spielen.

"Wo bin ich denn hier gelandet?!"

Gleich im ersten Jahr tritt die französische Chansonsängerin Juliette Gréco im Landschaftspark auf. Bracht:  "An dem Tag hat es ordentlich geregnet und dunkle Wolken standen über dem Gelände. Die Dame hatte am Abend davor in einer Oper gespielt und musste sich erstmal an den Industrie-Charme gewöhnen. Am Ende war es aber ein wahnsinnig schönes Konzert, Publikum und Sängerin waren beide zufrieden."

50 Georgier und zwei Stunden Wartezeit

Traumzeit 2000: Die 50-köpfige Funeral-Band rund um Goran Bregovic bleibt mit dem Bus liegen. "In solchen Momenten kommt man schon ganz schön ins Schwitzen. Im Nachhinein ist das ja echt lustig, aber auch nur, weil das Publikum die Zwangspause echt gelassen genommen hat", erzählt Bracht lachend.

Wechsel in der musikalischen Leitung

Mit dem Jahr 2009 kommt der musikalische Wandel in Gang. Der Moerser Komponist und Musiker Tim Isfort übernimmt die künstlerische Leitung. Seitdem hat das Festival den musikalischen Wandel, zeitgenössische Musik, Vielfalt und stilistische Grenzüberschreitungen zum Programm gemacht. Jazz, Pop, Weltmusik, Elektronische Musik, Indie-Rock, Neue Musik oder Klassik stehen nun gleichberechtigt nebeneinander. 

Ein starker Dämpfer

Im Jahr 2012 fand das Festival wegen ungesicherter Finanzierung nicht statt, auch eine eigens initiierte Rettungsaktion konnte daran nichts ändern.

Da ist ordentlich Lautstärke im Spiel

Traumzeit 2013: Die Editors spielen ihr einziges Konzert in Deutschland in der Kraftzentrale. "Das war eins der lautesten Konzerte, die jemals beim Traumzeit liefen. Die Editors waren damals total angesagt. Also war es schon was besonderes, dass so eine bekannte Band in Duisburg gespielt hat", erinnert sich WAZ-Redakteur Thomas Richter.

Wechsel in der künstlerischen Leitung bringt ein verändertes Konzept

Nach der Trennung von Tim Isfort wurde die künstlerische Leitung des Festivals vom Festivalbüroleiter der Duisburger Marketing Gesellschaft, Frank Jebavy, zusätzlich zur kaufmännischen Leitung übernommen. Das Festival findet seit 2013 mit stark verändertem Konzept statt. "Die Traumzeit hat sich sehr verjüngt. Alles ist etwas poppiger geworden", sagt Bracht.

Eine neue Open-Air-Bühne entsteht

Traumzeit 2016: Das Festival schmiegt sich enger an die Hochöfen des Landschaftsparks, die Kraftzentrale wird nicht bespielt, weil ihre Akustik für Rock und Pop schwierig sei, so Festivalbüro-Chef Frank Jebavy. Dafür wird auf dem Cowperplatz eine Open-Air-Bühne aufgebaut. "Das macht die „Traumzeit“ für auswärtige Besucher überschaubarer", sagt Jebavy.

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