Gelsenkirchen. . Dokumentationen, Reportagen, Studien: Die Neuaufnahmen im digitalen Pixelprojekt Ruhrgebiet sind einer der stärksten Jahrgänge seit langer Zeit.

Ausgerechnet in dem Moment, in dem bekannt wurde, dass dem Pixelprojekt Ruhrgebiet das Aus droht, zeigt es noch einmal seine ganze Stärke: Wer die am Donnerstagabend eröffnete Ausstellung der Neuzugänge 2016/17 vor Augen hat, wird unweigerlich feststellen: Es ist einer der stärksten Jahrgänge der letzten Zeit.

© Fröhling

Längst dokumentiert das Pixelprojekt mit seinen digitalen Foto-Serien nicht mehr nur die aktuelle Vergangenheit des Reviers, sondern auch jene Gegenwart, die nicht mehr lange Gegenwart bleiben wird. So beschreiben gleich zwei Serien voller Witz, Poesie und Realismus das, was sich vielleicht eines Tages als der heimliche rote Faden der Ruhrgebietsgeschichte herausstellen wird: den ständigen Umbau.

Unikate von passend gemachten Unpässlichkeiten

Zum einen hat Martin Strathmann die Giebelfassaden von mehrstöckigen Häusern fotografiert, deren Nachbarhaus abgerissen wurde – an diesen Wänden, die plötzlich aus aller Privatheit herausgerissen wurden, lassen sich auf fast schmerzhafte Weise die Spuren fremder Leben herauslesen. Wolfgang Fröhling wiederum hat das vielleicht größte Talent des Reviers festgehalten: Die umstandslose Verwandlung von Provisorien in Dauerlösungen, hier beim Umbau von Hauseingängen. Die Puzzles, die dabei herauskommen, sind Unikate von passend gemachten Unpässlichkeiten.

© Fricke

Da sind unter den Neuen im Pixelprojekt aber auch großartige Reportagen: Frank B. Napieralas Besuch im Duisburger Gleisdreieck der 70er-Jahre zwischen A 3 und Güterbahnlinie erzählt 1001 Geschichten von Armut und menschlicher Selbstbehauptung in Schwarzweiß, David Klammer hat schmerzvolle Trance-Praktiken bei Hindu-Festen im Hamm mit gekonnter Farb-Dramatik eingefangen und Karsten Frickes „Kinder im Kohlenpott“ zeigt – wiederum schwarz-weiß – stolze, skeptische, lausbubenfröhliche Knirpse aus mehreren Jahrzehnten, wie es sie vielleicht wirklich nur hier gibt.

Berührende und einfühlsame Studien

Da sind berührende, einfühlsame Studien von Flüchtlingen, Behinderten und den Wohnungen von gerade Verstorbenen, da sind aber auch Bilder, die wunderbare Teich- und Bushaltestellen-Spiegelungen einfangen oder Szenen an den Ufern der Ruhr, die Idyll und Alltagsgrau auf reviertypische Weise vereinen.