Haltern. . Manchmal ist die Festmusik eindeutiger als der Anlass. In Haltern fragt das Römermuseum, wie groß der Sieg des Feldherrn Germanicus wirklich war.

  • Halterns Römermuseum widmet ab 2. Juni seine jüngste Ausstellung den Siegen des Feldherrn Germanicus für Roms Riesenreich.
  • Doch die Schau kommt zu der Erkenntnis, dass die großen Triumphzüge nicht ganz berechtigt, die Germanen nicht eindeutig besiegt waren.
  • Bis zum November dokumentieren auf 800 Ausstellungs-Quadratmetern 250 Exponate von 40 Leihgebern aus aller Welt die Erkenntnisse.

Man muss sich einen Triumphzug im alten Rom vorstellen wie den Autokorso eines Fußballpokalsiegers, nur nicht so getragen. Hunderttausende sind auf den Beinen, der Wein fließt, die Musik spielt, die Tempel und Stadien sind geöffnet – und dass der Kaiser jedem Bürger Roms 300 Sesterze schenkt, mehrere Monatsgehälter, trägt auch ein bisschen bei zu den bis zu vier staatlich verordneten Gutelaunetagen. So war es Ende Mai des Jahres 17, und geehrt wurde der große Feldherr Nero Claudius Germanicus für seine überwältigenden Siege in, man ahnt es schon: Germanien.

2000 Jahre später kommen Archäologen aus dem Ruhrgebiet daher und gießen Wasser in den längst genossenen Wein. Die Ausstellung „Triumph ohne Sieg“ im Römermuseum in Haltern umkreist nämlich die Frage, welche Siege des Germanicus da eigentlich gefeiert wurden. Es gab nämlich im engeren Sinn keine. Was nur beweist: Alternative Wahrheiten sind keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, sondern die hatte schon Tiberius drauf, damals der Kaiser.

250 Exponate von 40 Leihgebern zeigt Halterns Römermuseum auf 800 Quadratmetern

Ein paar schöne Stücke haben sie dazu auf 800 Quadratmetern zusammengetragen, 250 Exponate von 40 Leihgebern aus ganz Europa. Darunter den letzten erhaltenen Brocken Stein aus Germanicus’ Triumphbogen: Er lag vermoost in Rom rum und wurde jetzt aus drängendem Anlass restauriert. Siegesgöttinen sind ebenso zu sehen wie Tropaions: Das sind auch Zeichen des Sieges, die Sie sich aber hinlänglich richtig vorstellen, wenn Sie kurz an Vogelscheuchen denken.

Ein Ölbild von 1870 zeigt Thusnelda, die von Germanicus gefangene Frau des Rom-Besiegers Arminius – entsprechend dem Zeitgeist um 1870 ist sie eine aufrechte Deutsche inmitten römischen Pöbels. Und in die Ausstellung gelangt man nur durch einen langen, in rosa gehaltenen Gang, zwischen stilisierten Menschenmengen hindurch. Es regnet Rosenblätter. Die Perspektive des Triumphierenden.

Die Errungeschaften des Germanicus sind fraglich – die Schau „Triumph ohne Sieg“ erzählt davon

Was aber hatte es auf sich mit dem rätselhaften Triumph im Jahre 17? Nun, die Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 war nicht das Ende römischer Angriffslust. 14 bis 16 versuchte Rom erneut, unter Germanicus’ Führung, das spätere Deutschland zur Provinz zu machen. Nur: Seine Legionen scharmützelten sich zu Tode – zu viele Männer starben, ohne dass die Germanen sich final geschlagen gegeben hätten.

„Da sagt Kaiser Tiberius nicht, wir wurden geschlagen, es ist vorbei. Sondern er beordert Germanicus zurück und gewährt ihm einen Triumphzug. Eine Niederlage wird in einen Sieg umgedeutet“, sagt Matthias Löb, der Direktor des „Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe“, der das Römermuseum trägt. Museumsdirektor Rudolf Aßkamp meint: „Es zeigt sich eine gut geölte Propagandamaschine.“ Und ein Internet hatten die Römer ja noch nicht, um kurz die Wahrheit zu checken.

Nach dem Triumphzug verabschiedete sich Rom aus Haltern und der ganzen Landschaft

Wahr ist aber auch: Das Imperium hätte sich militärisch durchsetzen können. Nur hatte das kalte, nasse und dunkle Germanien aus Mittelmeersicht wenig Reiz: Es gab keine Städte, es wuchs kein Wein. Der einzige damals bekannte Bodenschatz: Blei. Das einzige attraktive Handelsgut: blondes Frauenhaar für Perücken – damit war keine römische Provinz zu finanzieren. Nach dem Triumphzug lösten die Römer alle Lager östlich des Rheins auf, darunter Haltern, und kamen nicht wieder. Der Historiker Tacitus schrieb später auf: „Ungefähr 210 Jahre. So lange wird Germanien schon besiegt.“