Essen. . In Donna Leons neuem Krimi „Stille Wasser“ soll sich der Ermittler Brunetti eigentlich erholen – landet aber mitten in einem neuen Fall.
Commissario Brunetti hat einen Herzinfarkt – so alarmierend beginnt Donna Leons 26. venezianischer Streich. Danach aber dauert es, bis „Stille Wasser“ in geheimnisvolle Untiefen vordringt. So gemächlich wie das Wasser in den Lagunen plätschert dieser Krimi dahin.
Der Herzinfarkt, er war nur Fake. Eine Taktik, um ein aus dem Ruder laufendes Verhör abzubrechen. Im Krankenhaus aber diagnostizieren die Ärzte Stress und Bluthochdruck. Im Haus von Verwandten draußen vor der Stadt soll Brunetti sich erholen. Dort freundet er sich mit dem Verwalter Davide an, rudert mit ihm hinaus zu den Inseln. Davide – ein feiner, aufrechter Witwer in seinen 70ern – ist beunruhigt, denn in seinen Bienenstöcken sterben die Tiere. Dann verschwindet Davide, und Brunetti nutzt bei seinen Ermittlungen das soziale Netz der kleinen Inselgemeinde. Was war mit den Bodenproben, die Davide nahm? Woher hat er diese Narben, Verätzungen an seinem Körper? Woran ist seine Ehefrau gestorben?
Wie eine Fahrt übers Meer
Wie bei einer Fahrt übers Meer ahnen die Leser weit voraus, welche Lösung des Falls sich da am Horizont abzeichnet. Einmal mehr greift die Erfolgsautorin einen gesellschaftlichen Missstand auf, geißelt Umweltsünden und unmoralisch agierende Großkonzerne. Spannender aber scheint diesmal, dass Leon immerhin im Kleinen von ihrer Schwarz-Weiß-Malerei der Welt abweicht und in der Figur Davide kräftige Striche von Grau verwendet hat. „Die eigenen Wünsche rechtfertigen alles“, heißt es über diesen so freundlichen, traurigen Witwer. Von dem Brunetti doch nicht weiß, was ihn umgetrieben haben mag, „bevor er der Mann geworden war, der er war, bevor er starb“.
Donna Leon: Stille Wasser. Diogenes Verlag, 342 S., 24 Euro.