Oberhausen. . Intendant Peter Carp verabschiedet sich mit Bernhards „Theatermacher“ aus Oberhausen. Hartmut Stanke erntet in der Titelrolle Bravo-Rufe

Thomas Bernhards „Der Theatermacher“ erzählt am Beispiel einer geplanten Aufführung, die nie stattfinden wird, wie im Grunde alles scheitert, was wir Leben nennen. In Oberhausen findet die Aufführung zwar statt, aber anders als es Bernhard-Liebhaber die letzten 32 Jahre zu sehen bekamen.

Hängt diese unglaublich schwere Melancholie über 100 pausenlos gespielten Minuten, weil es in Wirklichkeit ein doppeltes Spiel vom Abschied ist? Peter Carp, regieführender Intendant, geht – und mit ihm der wunderbare Schauspieler Hartmut Stanke, Publikumsliebling über Jahrzehnte in dieser Stadt vom Kindermusical bis zu Kleist. Ein letzes „Vorhang auf“ also – und dafür wählen sie jene Klitsche, von der Bernhard erzählt. Gasthof „Schwarzer Hirsch“, schimmelfeuchter Tanzsaal in Utzbach, Biergartenbestuhlung aus Plastik, tote Fliegen auf der Fensterbank, das Klopapierarsenal für die Einkehr siedelt gleichfalls hier.

Kaspar Zwimpfer hat mit schlampig tuender Präzision einen nicht sehr originellen, doch nachgerade idealen Raum für Bernhard gebaut. Es zieht ja in diesen Schmuddel mit den ersten Sätzen die Schmiere ein. Ein trompetender Staatsschauspieler, der erst durch den (in Oberhausen erschütternd laut grunzenden) Saustall auf die Bühne gelangt. Seine Verzweiflung hat einen Namen: „Utzbach!“. Dieser Großkünstler Bruscon hat seine grandiose Weltkomödie, also eigentlich ein albernes Stück namens „Rad der Geschichte“ im Gepäck. Was für ein heilloser Blödsinn: Begegnungen von Lady Churchill und Napoleon, Hitler und Madame Curie, Bruscon spielt alle – seine lausige, an ihn gekettete Familie spielt den Rest.

„Denkbar schlechteste Akustik“

Das große Komödien-Spiel aber bleibt nicht nur in Utzbach aus. Das hat gute Gründe, einen unglücklichen hat es auch: „Denkbar schlechteste Akustik“ bejammert der Theatermacher die sich gegen ihn verschworenen Umstände. Doch genauso ist es in Oberhausen. Die ganze wichtige Exposition, bei der jedes „Utzbach“ wie eine Wutperle aus dem Mund des Weißclowns Bruscon kommen müsste, lässt Peter Carp derart tief im Bühnenraum spielen, dass selbst Jüngere (wovon es im Theater immer weniger gibt) kaum mehr als die Hälfte verstehen. Auch später noch, als Stankes Bruscon endlich vorn wütet, lässt Carp ihn oft nach hinten toben. Rätselhaft, ein Bärendienst auch an Hartmut Stanke, einem so grandiosen Sprecher.

Stankes Bruscon: Kein wütendes Tier der Sorte, die dieses Stück in den Kanon befördert haben; Traugott Buhres monströser Ästhet, Lambert Hamels heimtückische Diva, Ulrich Wildgrubers Impresario des Wahnsinns. Die schimpfende Beiläufigkeit, mit der Stanke seinen Theatermacher vorstellt, ist fast ein Schock, so anders als die Rolle sonst verstanden wird. Selbst da, wo er seine verblödeten Kinder herunterputzt (Jana Horstmann und Thieß Brammer zeigen schöne Miniaturen), haben wir diesen Sadisten noch gern. Wo andere Schauspieler noch die Dauerniederlage bölkend mit den Farben des Triumphs ausmalten, ist Stanke in seiner Studie absoluter Isolation ein ausweglos Lebensmüder von Anfang an. Diese Option bietet Bernhards Text durchaus: Da man sich nicht umbringen könne, spiele man eben Theater.

Verschenkte Komödienmomente

Ob Carp gut daran tut, dem Ensemble einen Stil zu verordnen, der den völligen Irrwitz des Stücks, die kaum zu steigernde Groteske behandelt, die dramatische Maßlosigkeit wie den poetischen Realismus eines Anton Tschechow, bleibt die Frage. Vielleicht rührt uns dieser Bruscon mehr als jedes rasende Ungeheuer.

Aber Carps Zugriff, der durch Striche auch beim Wirtspersonal reichlich Komödienmomente verschenkt, nivelliert auch unverzichtbare Fallhöhen. Die finale Katastrophe – das Publikum flieht, da der Blitz einschlägt – kommt trotz Lichtgewitter im Parkett ganz und gar prosaisch daher.

Die Inszenierung kam an. Für Hartmut Stanke, 73, mehr Menschenbildner als Effektmime, gab es verdiente Bravo-Rufe. Oberhausen wird er verlassen. Der neue Intendant ist stolz darauf, dass sein ältestes Ensemblemitglied erst 53 ist. Sind sie nicht alle ein bisschen Utzbach?

„Der Theatermacher“ im Theater Oberhausen, Will-Quadflieg-Platz 1. 100 Minuten, keine Pause.

Nächste Aufführungen: 31. Mai, 2., 9., 10. und 23. Juni.

Karten (11-23 €) gibt es unter 0208 - 8 57 81 84.