Bochum. . Intendant Anselm Weber und Regisseur Roger Vontobel zeigen ihre wohl letzten Arbeiten am Bochumer Schauspielhaus.

Seite an Seite nehmen sie Abschied: Intendant Anselm Weber und der langjährige Hausregisseur Roger Vontobel zeigen ihre wohl letzten Arbeiten am Bochumer Schauspielhaus, ehe es sie Richtung Frankfurt und Düsseldorf zieht. Der Zuschauer staunt nicht schlecht, denn die Aufführungen könnten un­terschiedlicher kaum sein.

Erster Aufschlag: Roger Vontobel, der während der Weber-Intendanz für die stärksten Inszenierungen verantwortlich war, nimmt sich Bernard-Marie Koltès’ „Kampf des Negers und der Hunde“ vor. Empfindsamen Theatergängern sei gesagt: Der Abend ist ein Schlag in die Magengrube. Den ohnehin bitterbösen Text färbt der Regisseur noch eine ganze Spur abgründiger. Selbst für Vontobels Verhältnisse ist das finster: diese Wucht, diese Härte.

Koltès schrieb sein Stück Ende der 70er-Jahre, es hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Darin zeichnet der französische Autor die diffuse Angst des weißen Mannes vor dem Fremden, dem scheinbar Gefährlichen dort draußen. Auf ei­ner stillgelegten Baustelle in Westafrika verbergen sich die Konflikte ei­ner globalisierten Welt, die Vontobel auf einer unheimlich wirkenden Bühne (Fabian Wendling) austragen lässt. Metallische Strippen hängen von der Decke herab, Nebel wabert, Donner grollt.

Den dunkelhäutigen Alboury gibt – natürlich – Jana Schulz, die Vontobels Inszenierungen mit androgyner Erscheinung und furiosem Spiel schon oft entscheidend bereicherte. So geradlinig und abgeklärt wie hier hat man sie zuvor selten gesehen.

Dem gegenüber die „Hunde“: Werner Wölbern als Baustellenleiter Horn und Max Mayer als Cal. Beide haben eine Leiche im Keller: Ein schwarzer Arbeiter wurde getötet, was die Loyalität der beiden Männer auf den Prüfstand stellt. Während der souveräne Wölbern versucht, das drohende Unheil abzuwenden, und sich dabei immer krampfhafter am Whisky-Glas fest krallt, vollbringt Max Mayer die irrwitzigsten Auftritte des Abends.

Sein Cal ist ein grenzdebiler Zappelphilipp, ein Idiot, und genau deshalb so gefährlich. Wenn er von Schlamm überdeckt mit Gewehr in der Hand über die Bühne kriecht, dann sind das Momente, die grinsen und schaudern lassen.

Arthur Millers erster Broadway-Hit

Tags drauf ein völlig anderes Bild: Texttreu und todschick zeigt Anselm Weber Arthur Millers ersten Broadway-Hit „Alle meine Söhne“ (1947), und der Zuschauer fühlt sich runde 100 Minuten lang gut an die Hand genommen und angenehm belehrt. Erneut bleibt der scheidende Hausherr seinem Ruf treu, ein Verfechter des konventionellen Regietheaters zu sein, so stilvoll, routiniert, aber letztlich blutleer geht ihm der Abend von der Hand.

Das Stück spielt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. 21 Piloten sind tot, weil Joe Kellers Firma defekte Zylinderköpfe auslieferte – unter ihnen auch Joes Sohn Larry.

Offene Schuldfragen versteckt hinter gutbürgerlicher Fassade: Lydia Merkel baut ihre Bühne weit in den Saal hinein – ganz so als säßen die Zuschauer bei den Kellers im Garten. Das Ensemble muss aufpassen, dass die Abgründe, die in den Figuren lauern, nicht hinter edlen Anzügen und Cocktailkleidern verschwinden. Eindringlich gelingt dies Katharina Linder als verbitterter Kate und der erstaunlichen Xenia Snagowski, die als Sue einen donnernden Auftritt hinlegt.

Michael Schütz gibt seinen Joe als Denkmal des reinen Gewissens, sein allmählicher Absturz gelingt ihm nicht ganz überzeugend.

Viel Beifall fürs Ensemble und den scheidenden Intendanten, der sich erhobenen Hauptes verabschieden kann.