Oberhausen. . Ihm gelang das berühmte Bild – auch von Marlon Brando. Und so viel mehr: Die Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zeigt, welch ein Foto-Riese Sam Shaw war

Sam Shaw gehört zu den raren Menschen, die kaum jemand kennt, obwohl sie weltberühmt sind. Sam Shaw hat nämlich den jungen, männlichkeitsstrotzenden Marlon Brando 1951 in „Endstation Sehnsucht“ im T-Shirt so ikonografisch abgelichtet, dass es das Bild der Werbekampagne zum Film wurde. Und weil man nun wusste, dass dieser Sam Shaw ein Auge hatte für d a s Bild, sollte er auch Billy Wilders „Das verflixte 7. Jahr“ fotografieren.

Als die Szene mit Marilyn im weißen Kleid über dem U-Bahn-Schacht anstand, hatte Shaw auch ein paar Kollegen Bescheid gesagt – es kamen 200, die Meute musste mit einer Absperrung im Zaum gehalten werden. Die Bilder waren am nächsten Tag in allen Zeitungen, aber das beste von allen hatte der Mann mit der besten Position: Sam Shaw, der damit eine Ikone des 20. Jahrhunderts schuf. Die Szene musste in einem Studio in Los Angeles nachgedreht werden, weil man auf der Tonspur des Films nur noch das Auslösergewitter und den Lärm der Foto-Meute hörte.

Shaw und Marilyn waren da schon Freunde, drei Jahre zuvor musste sie noch als „Assistentin“ am Filmset von „Viva Zapata!“ Shaw herumchauffieren – kein Führerschein kann auch von Vorteil sein. Die Monroe verpasste ihm den Spitznamen Sam Spade, nach Da­shiell Hammetts abgekochtem Privatschnüffler. Als sie dann Schauspielunterricht nahm, übte sie mit ihm Improvisation, neben Passanten, zeitunglesend auf einer Parkbank in New York.

Samuel Warshawsky hieß er eigentlich, 1912 kam er als Kind russischer Wirtschaftsflüchtlinge zur Welt. Er will Künstler werden, schlägt sich als Gerichtszeichner und Cartoonist durch, wird schließlich Fotoreporter. Und vermeidet gestellte Szenen. Großartige Fotostrecken erzählen vom hässlichen Rassismus der Weißen und der Lebensplackerei der Schwarzen im Süden der USA, vom unbeschwerten Spiel der Kinder. Shaw fotografiert eine Trümmer-Kutsche, die im Wiesengras von Vermont versinkt, zu allen Tageszeiten, bei allen Arten von Licht. Sie sei für ihn, was die Heuhaufen für Monet waren, sagt er. Shaw gelingt eine gigantische Aufnahme vom Baseballstar Leroy Robert Palge aus der Froschperspektive und eine surreale Schattenstaffelung unter einer Bahnbrücke. Shaw konnte alles mit seiner Nikon, das zeigt die neue Ausstellung in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen mit 230 Aufnahmen, kuratiert von Nina Dunkmann.

Und als seine fotografische Hymne auf seine Lieblingsstadt Paris entsteht, auf ihren Alltag, ihre Poesie und Schönheit, schreibt er sorgenvoll an Marilyn, er weiß von ih­ren Depressionen und lädt sie ein, seine Frau und er hätten stets ein Zimmer für sie frei. Ein Jahr später ist sie tot. Shaw aber rückt auch ihre Konkurrentinnen und Nachfolgerinnen ins Licht, Gina Lollobrigida, Sophia Loren und Liz Taylor, aber auch Paul Newman, den jungen Woody Allen und den alten Fred Astaire. Und als er Anthony Quinn bei den Dreharbeiten zu „Alexis Sorbas“ begleitet, entsteht eine Kreta-Reportage, ausnahmsweise in Farbe. Konnte er auch, dieser Sam Shaw.