An Rhein und Ruhr. . Regisseur Andres Veiel gilt als renommierter Filmemacher. Für seinen Dokumentarfilm über Joseph Beuys muss er jedoch auch Kritik einstecken.

In zehn Jahren, scherzt Andres Veiel, werde er mal eine Ausstellung mit den erbosten Zuschriften zu seinem Film machen. Der heißt schlicht „Beuys“ und ist das zweistündige, aber kurzweilige Ergebnis einer dreijährigen Arbeit des Filmemachers.

Veiel, bekannt und gelobt für seinen politischen Blick (u.a. seine Dokumentarfilme „Black Box BRD“ und „Wer wenn nicht wir“ wurden mehrfach ausgezeichnet), sieht daher in Beuys den politischen Künstler, dem die Gesellschaft der Bundesrepublik zur sozialen Skulptur wird. An ihr und mit ihr arbeitet er.

Joseph Beuys, immer in Anglerweste und mit Hut, so zeigen ihn zahlreiche dokumentarischen Aufnahmen des Films.
Joseph Beuys, immer in Anglerweste und mit Hut, so zeigen ihn zahlreiche dokumentarischen Aufnahmen des Films. © Ute Klophaus/zeroonefilm/dpa

400 Stunden Material hat Veiel gesichtet, mit 24 Zeitzeugen Interviews gedreht – und dann 19 davon weggelassen. Den Grafiker Klaus Staeck und den Sammler Franz van der Grinten immerhin bekommen wir zu sehen.

„Beuys“ zeigt also Beuys – zu 95 Prozent. Und das in zum Teil noch nie veröffentlichten Dokumenten, die Veiel virtuos montiert. Zu einer Kreisbewegung, in der Beuys Leben abgeschritten wird mit dem Blick auf die Gesellschaft, in der er lebt und die er gestaltet und verändert.

Der Film macht deutlich, wie Beuys mit dem „erweiterten Kunstbegriff“ arbeitet – und wie sehr dieser auch zum politischen Kampfbegriff wird, wenn Beuys bereits das Denken zur Plastik erklärt und die Kreativität aller Menschen wecken will mit dem Ruf: „Jeder ist ein Künstler“.

Der Künstler Veiel hat sich bei der Bearbeitung des historischen Materials auch einiger Freiheiten bedient, die Dokumente zum Teil in Bewegung gebracht, verfremdet, neu kombiniert, zu seiner Beuys-Erzählung geschnitten, die Kindheit und Jugend am Niederrhein nur anreißt, genauso wie die zumindest ausgeschmückte Tartarenepisode und den Rauswurf aus der Düsseldorfer Kunstakademie.

Joseph Beuys im Jahre 1979.
Joseph Beuys im Jahre 1979. © Hans Dürrwald/dpa

Jedoch betont der Film, der mit für eine Dokumentation bemerkenswerten 60 Kopien bundesweit startet, weniger die Lebens- und Schaffensstationen oder Werkgeschichte. Eher schon Beuys Humor, mit dem er Talkshows und Diskussionsrunden inspirierte und provozierte.

Ein Humor, den „anarchisch“ zu nennen, sich allerdings verbietet, denn Beuys ging es vor allem um die Freiheit, die eine künstlerische werden kann für jeden Menschen.

Man wartet fast darauf, dass Beuys gleich vom „bedingungslosen Grundeinkommen“ redet – was er womöglich mit seiner Forderung „Kredit für jeden“ gemeint haben könnte.

Veiel gelingt es, einen politisch aktuellen Beuys auf die Leinwand zu bringen, an den sich auch mehr als drei Jahrzehnte später aktuelle Diskussionen anknüpfen lassen über Politik, Gesellschaft und Geld. Und wie mit Schmähungen derjenigen umzugehen ist, die im Film „ihren“ Beuys vermissen, so wie seinerzeit die Menschen bei Beuys „ihre Kunst“ vermissten, macht der 57-Jährige auch deutlich.

Beuys, der in diesem Film bemerkenswert oft ans stets klingelnde Telefon geht, freute sich angeblich über Anrufe, in denen er beschimpft wurde. Denn Wut, so Beuys, setze Energie frei.