Duisburg. . Beethovens „Hammerklavier“-Sonate und Ives’ Piano Sonata in der vollen Gebläsehalle des Duisburger Landschaftsparks Nord beim Klavier-Festival Ruhr

Zwei monumentale Klavierwerke wie Beethovens „Hammerklavier“-Sonate und Charles Ives‘ Schlachtross, die Second Piano Sonata „Concord Mass., 1840-60“, an einem Abend aufs Programm zu setzen, kommt einer Herkules-Aufgabe gleich, an die sich nicht viele wagen. Pierre-Laurent Aimard kennt keine Berührungsängste im Umgang mit extremen Auswüchsen des Repertoires und nicht minder gewagten Anforderungen an sich und das Publikum. Dass er auch einen solchen Kraftakt souverän meistern kann, bewies er erneut im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr in der voll besetzten Gebläsehalle des Duisburger Landschaftsparks Nord.

Gleich der Kopfsatz von Beethovens formsprengender „Hammerklavier“-Sonate wies Aimard als Interpreten aus, der die Übersicht über die gewaltigen formalen Dimensionen behalten und jede melodische Linie, sei sie noch so brüchig oder sperrig, überlegen phrasieren kann. Eine Interpretation von hohem intellektuellem Niveau, die durch die enorme Dynamik seines Spiels dennoch eine überwältigende Energie ausstrahlt. Tugenden, die auch dem riesigen, im Detail äußerst penibel ausgefeilten Adagio zugutekommen, dessen formaler Zusammenhalt gewahrt bleibt.

Ohne Entspannung nach der Pause weiter

Das alles gelingt Aimard spieltechnisch so perfekt, dass ein paar falsche Töne in der irrsinnig schnell genommenen Schluss-Fuge schon sympathisch wirken. Ungeachtet der leidigen Diskussion um das angemessene Tempo für den rätselhaften Final-Satz stellt sich allerdings die Frage, ob Aimard nicht den Bogen überspannt, wenn er so rasante Tempi anschlägt, dass die Verläufe des dichten kontrapunktischen Geflechts kaum noch nachvollzogen werden können. Der singuläre Ausnahmecharakter des Werks wird zwar herausgestellt, die Einsicht in die Struktur des Satzes jedoch nicht unbedingt gefördert.

Von Entspannung konnte nach der Pause nicht die Rede sein, als Aimard mit offenbar ungebrochener Energie Charles Ives‘ kolossale „Concord“-Sonate anstimmte. Vier ausgedehnte Sätze aus den Jahren 1909 bis 1916, entstanden unter dem Einfluss einer mit transzendentalen Ideen beschäftigten Intellektuellen-Gruppe um Ralph Waldo Emerson, der die Sätze auch gewidmet sind.

Zerbrechliche Poesie und brutaler Tastendonner

Das Ergebnis ist eine aberwitzig virtuos gemischte Stilcollage, in der Ives denkbar gegensätzliche Extreme in rasanter Abfolge auftürmt. Zerbrechliche Poesie und brutaler Tastendonner, diffizile Polyphonie und trivialer Minimalismus, Zitate vom Bürgerkriegs-Song bis zu Beethovens Fünfter, Atonales und nostalgisch Anrührendes verflechten sich zu einem Tongemälde, das auch flexible Gestalter vor große Probleme stellen dürfte. Natürlich keinen Meister vom Schlage Aimards, der sich den stilistischen Wechselbädern genau so souverän und perfekt hingab wie denen der Beethoven-Sonate.

Begeisterter und erstaunlich frischer Beifall nach einem Abend der Superlative.