Köln. . Kunstmesse: Die 51. Art Cologne wartet mit mehr als 2000 Künstlern auf – und einem Publikum, das nicht nur zum Kaufen nach Köln kommt.
Es gibt tatsächlich Menschen, für die ist die Art Cologne eine große, allessoschönbunte Shopping Mall auf drei Etagen. Aber ob das wirklich so ein großes Vergnügen ist, wenn einem die Euro-Scheine locker genug sitzen? Wird das nicht doch ein echter Einkaufsstress? Wenn man entscheiden müsste, ob man 135.000 Euro für ein notizbuchgroßes Aquarell von Emil Nolde ausgibt, wie es bei der Dortmunder Galerie Utermann im Angebot ist – oder nicht doch am gleichen Stand die Jockeys von Norbert Tadeusz für 42.000 kauft, die auch überm Sofa mächtig was hermachen würden, und 39.000 übrig hätte für die frühe Warhol-Zeichnung einer Wohnzimmerszene (da war er noch Werbegrafiker); dann wären sogar die 19.000 für die lakonisch-imposante Schwarz-Weiß-Verbeugung von Bernd und Hilla Becher vor der Bochumer Zeche Hannibal von 1973 noch drin (Ludorff aus Düsseldorf). Ach, man würde sich nur quälen!
Die meisten Besucher sind Sehleute
Wie gut also, dass die meisten Besucher ohnehin nur Sehleute sind, die ihre helle Freude haben an der Innenausstattung dieses gigantischen Schaulustschlosses. Gut, der Eintritt (25 Euro) liegt etwas höher als bei einer Museumsausstellung. Aber dafür sieht man hier Werke von über 2000 Künstlern, die durch die 204 Galerien (zehn weniger als 2016) auch nicht gerade schlecht herausgeputzt werden. Und viel willkürlicher zusammengestellt als manche museale Vonbismus-Ausstellung ist die Art Cologne als Mutter aller Kunstmärkte bei ihrer 51. Ausgabe weniger denn je.
Sortierung in drei Messehallen
Im Erdgeschoss der Halle 11 ist vor allem die Klassische Moderne vertreten, wer also schwelgen will in Mackes Katze in Öl oder in dem lila-grün-blauen Bauern, den Henze + Ketterer diesmal aus dem Nachlass von Ernst Ludwig Kirchner auf den Markt bringen, ist hier richtig. Bernard Schultzes grandiosen, gegenstandslosen Spaziergängen über die Pastell-Palette kann man hier auf Leinwänden und kleinwagengroßen Surreal-Skulpturen begegnen, zauberschönen Feininger-Aquarellen, schreiend harmonischen Jawlensky-Gemälden und den abgezirkelten Quadrat-Konstruktionen von Josef Albers.
Hier holt auch die Stuttgarter Galerie Valentien verdienstvoller Weise auch den Maler Volker Böhringer (1912-1961) aus der Versenkung, einen pessimistischen Realisten mit surrealen Anflügen, der modernisierend an die Anfänge von Otto Dix anknüpfte. Eine grandiose Wiederentdeckung, die auf eine baldige Museums-Ausstellung hoffen lässt.
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32 Gaslaternen vom Galerien-Platzhirsch
Die Kunst in der Halle darüber spielt sich schwerpunktmäßig zwischen Weltkriegsende und Gegenwart ab, die Werte sind schon etwas weniger abgesichert, dafür leben die meisten der Künstler noch, die hier präsentiert werden. Bei Hans Mayer faszinieren frische Kohle-Zeichnungen von Robert Longo (wunderbar vielsagend: eine gefesselte Herrscherstatue beim Transport) und zwei Video-Installationen vom Bildermagier Tony Oursler. Und die New Yorker Mega-Galerie Gagosian, die zum ersten Mal auf der Art Cologne vertreten ist, trumpft in bester Platzhirsch-Manier mit 32 weiß gestrichenen Gaslaternen von Chris Burden auf („Buddha’s Fingers“), deren Preis nur geraunt wird; die 5,5 Millionen, von denen dann die Rede ist, sollen einen Kauf vielleicht aber auch verhindern.
Man trifft hier auch auf Kunst, die noch vor kurzem in Ruhrgebiets-Museen zu sehen war: etwa die Wasser-Bildschirme von Fabrizio Plessi, die von der Kunsthalle Recklinghausen präsentiert wurden (107 000 Euro) oder die grandios fotografieren XXL-Landschaften von Thomas Wrede, die in Wirklichkeit aus der riesigen Vergrößerung von extremen Nahaufnahmen entstanden sind und die schon in der Neuen Galerie von Gladbeck faszinierten (Auflage: 7, 9500 Euro).
Champagnerflaschen mit Blumenmuster
Die Champagnerflaschen auf der Art Cologne haben Blumenmuster, und auch manche Kunst streift vor lauter Gefallsucht die Grenze zum Kitsch: Die hyperrealistischen Blüten, Tomaten und Eiskristalle in Öl eines Marc Quinn sind nicht weit davon entfernt, und manches ist nur Abklatsch von Altbekanntem.
Noch mehr Geschmackssicherheit ist schließlich in der obersten Halle gefragt, wo unter der Flagge „Neumarkt“ lauter Galerien vertreten sind, die nicht mehr als zehn Jahre auf dem Buckel haben: Hier ist die jüngste Kunst zu Hause, das höchste Risiko für Kunstspekulanten, aber auch die größte Experimentierlust. Sicher ist hier irgendwo der nächste Gerhard Richter zu entdecken. Kunst jedenfalls, für die man auch nicht das ganz große Scheckbuch dabeihaben muss.