Essen. . Was gab es zuerst? Das Ei – oder das Huhn? Diese uralte Frage haben wir fünf Prominenten aus Kultur, Politik, Kirche und Küche gestellt.

Eine uralte Frage nach dem Anfang des Lebens. Ostern 2017 stellte Lars von der Gönna sie fünf Prominenten aus Kultur, Politik, Kirche und Küche. Und eine Bochumer Biologin sagt, wie die Wissenschaft dieses Problem bebrütet.

Das sagt Grünen-Politikerin Renate Künast . . .

Renate Künast
Renate Künast © Steffens

„Schon in der Antike fragte sich Plutarch, wer denn wohl zuerst gewesen sei: die Henne oder das Ei? Wie ich es – das Ei – auch drehe und wende, eine Antwort finde ich nicht. Bleibt also zu Ostern nur der gute Vorsatz: kein Ei mit Drei. Womit immerhin geklärt wäre, woher sie kommen, nämlich nicht aus Käfighaltung. Frohe Ostern!“

(Renate Künast, gebürtige Recklinghäuserin. Die Grünen-Politikerin war in der Zeit von 2001 bis 2005 Bundeslandwirtschaftsministerin der ersten rot-grünen Koalition.)

Das sagt Professor Bazon Brock . . .

Professor Bazon Brock.
Professor Bazon Brock. © Horst Ossinger / dpa

„Jede Antwort auf diese Frage wäre so wenig aufschlussreich wie eine Unterscheidung zwischen Ich und Ich. Ich ist auch immer ein anderer, aber als Ich. Das Ei ist im Huhn und das Huhn im Ei angelegt, nur die Entwicklungsstadien des gleichen Wesens sind unterscheidbar. Huhn und Ei sind zwei Namen für dieselbe Sache und nicht zwei selbstständige Gegebenheiten.

Also begründen auch Ei und Huhn keine Konkurrenz um die Priorität. Sie sind nur als eines denkbar und entstanden. Vielleicht besser an folgendem Beispiel zu erkennen: Gab es in den endlosen Waldozeanen Germaniens zuerst den Ort Dortmund, zu dem man sich einen Weg bahnen musste oder umgekehrt? Ohne Wege, die nach Dortmund führten, konnte es kein Dortmund geben. Und ohne Dortmund keine Wege dorthin.“

(Professor Bazon Brock, Kunsttheoretiker, lehrte viele Jahre Ästhetik an der Universität Wuppertal.)

Das sagt Köchin Lea Linster . . .

Lea Linster.
Lea Linster. © Harald Tittel / dpa

„Für mich ist die Antwort klar. Das Ei! Denn das Ei ist für ein gutes Frühstück, das Huhn kommt zum Mittagessen dran. Meine Reihenfolge ist eine kulinarische Evolution. Klar, dass die Menschheit die Frage fasziniert: Ein Ei muss ja von irgendwem gebrütet werden. Aber wenn das Ei nicht gelegt wird, ist niemand zum Brüten da. Es ist die alte Frage nach dem Anfang, aber von den Zellen her war es wohl das Ei.

Als Köchin darf ich sagen: Leider werden viele Hühner nicht so gefüttert, wie sie und die Genießer es verdienen. Dann schmeckt auch das Ei fad! Wenn ich an die Hühner von früher denke, da habe ich sofort einen Geschmack auf der Zunge, sogar mit einem feinen Salzgehalt. Wenn Sie mich fragen, was zuerst da war, der Appetit oder die Spitzenküche? Schon der Appetit. Das ist nämlich Hunger mit Kultur!“

(Lea Linster, luxemburgische Spitzenköchin, Autorin des Kochbuchs „Das Gelbe vom Ei“.)

Das sagt Pater Reinald Rickert . . .

Pater Reinald
Pater Reinald © Beer

„Da lachen ja die Hühner! Ich war unter anderem Herr über 300 Legehennen – da ist das gar nicht so simpel. Ei ist nicht gleich Ei. Nur ein vom Hahn befruchtetes Ei besitzt eine gewisse Lebenssymbolik, alle anderen dienen der menschlichen Nahrung. Und Huhn ist auch nicht gleich Huhn. Die Zielvorgabe „Jeden Tag ein Ei und sonntags sogar zwei“ wird längst nicht von jedem erfüllt“. Aber die seriöse Antwort möchte ich als Theologe geben: Weder Huhn noch Ei waren zuerst da, denn „Im Anfang war das Wort“, also die sinnstiftende, positive Energie des göttlichen Wortes. Nur darin haben Huhn und Ei ihren eigentlichen Ursprung.“

(Pater Reinald Rickert, Benediktinermönch, lange Leiter der Landwirtschaft der Abtei Königsmünster Meschede.)

Das sagt Autor Sigi Domke . . .

Sigi Domke.
Sigi Domke. © Knut Vahlensieck

„Weder noch. Ei und Huhn wurden uns vom kosmischen Schöpfer vor Urzeiten zusammen ins Nest gelegt, und zwar in ein Nest auf den Osterinseln, von wo aus alle vier, das Ei mit seinem Huhn und das Huhn mit seinem Ei, die Welt eroberten, um als ewige Denksportaufgabe die Hirne der Menschen zu beschäftigen, womit der Schöpfer den im himmlischen Jahresplan von anno Tobak festgelegten Plan verfolgte, diese – also die Hirne – zu beflügeln, um die Menschen, wenn auch nicht zu Engeln, so doch zu vernunftbegabten Wesen zu machen.

Wenn man die Menschheitsgeschichte betrachtet, muss man feststellen, dass dieser Plan bislang weitgehend in die göttliche Hose gegangen ist. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend.“

(Sigi Domke, Autor von Gedichten, Romanen („Nachbarn in Bäumen“) und zahlreichen Revierkomödien (Ronaldo und Julia).)

Das sagt Evolutionsbiologin Dr. Kathrin Lampert . . .

Ist für eine Frau vom Fach die Frage, was zuerst da war, seltsam?

Kathrin Lampert: Ja, für Biologen ist das eher eine komische Frage. Für unser Fach gibt es so etwas nicht wie das erste Ei oder das erste Huhn. Für uns ist ja klar, dass sich das alles über viele Schritte entwickelt und dass „das Huhn“ nicht plötzlich aus einem Ei kommt, beziehungsweise aus einem Ei auch was ganz anderes kommen kann, eine Eidechse etwa.

Warum, glauben Sie, ist „Huhn oder Ei“ so eine starke Frage geworden, dass sie es in unserer Kultur gar zu einer festen Redewendung gebracht hat?

Kathrin Lampert.
Kathrin Lampert. © Kai Kitschenberg

Ich glaube, die Frage reizt Menschen vor allem, weil sie ein Dilemma zeigt: Ein Huhn legt ein Ei und aus dem Ei schlüpft ein Huhn. Für einen ahnungslosen Betrachter lässt sich also nicht zeitlich einordnen, wie und wo das begonnen hat.

Was ist Ihre Sicht als Evolutionsbiologin?

Natürlich gab es Eier schon viel früher als Hühner. Schon Dinosaurier legen Eier. Und Vögel kommen von den Dinosauriern. Auch Fische haben Eier, und Reptilien haben die Eier entwickelt, die sich dank spezieller Schutzhüllen und ihrer Kalkschale an Land ablegen ließen.

Ist das Ei ein Coup der Natur, um Leben raffiniert zu verpacken?

Zumindest ist es eine sehr universelle Methode, sich fortzupflanzen und alle Informationen in eine Zelle zu packen, aus der sich dann ein vielzelliger Organismus entwickelt.

Wenn ein Huhn ein Ei sieht, weiß es, dass da ein Huhn drin ist?

Nein! Das Huhn folgt einfach einem Instinkt, dieses Ei zu bebrüten – ohne Bewusstsein.

Komisch, dass wir bei „Huhn oder Ei“ den Hahn unterschlagen . . .

Ich hab’ mich das auch gefragt, aber im Deutschen funktioniert es, weil Huhn an sich weiblich ist. Aber natürlich kann aus einem Ei auch ein Hahn schlüpfen und dann ist die Story zu Ende, weil die ja bekanntlich keine Eier legen.

(Dr. Kathrin Lampert ist Evolutionsbiologin an der Ruhr-Universität in Bochum)