Düsseldorf. . Er ist der Schriftgelehrte des Songbooks: Bob Dylan deutete Bob Dylan – und noch manch anderes Liedgut vor 5000 Gläubigen in Düsseldorf.
Gäbe es in der Rockmusik Konfessionen, so wäre Bruce Springsteen der Priester fürs österliche Hochamt und Bob Dylan ist der protestantische Prediger für den Karfreitag: Ein Literaturnobelpreisträger, der durch Wort und Lied wirken will – und nicht durch Emotion und Show. So zu erleben am Gründonnerstagabend in Düsseldorf, wo rund 5000 Gläubige dem Herrn mit Hut huldigten.
Dylan im Konzert – das hat tatsächlich eine kirchliche Anmutung. Zum einen gilt: Du sollst dir kein Bildnis machen und wehe, du zückst ein Handy, dann huschen dir blitzschnell Messdiener auf die Pelle. (Allein dafür, dass in der dunklen Halle kaum Smartphones leuchte, muss man Dylan danken).
Kein Wort ans Publikum
Zum zweiten: Dylan fängt mit dem Glockenschlag um 20 Uhr an. Mit „Things have changed“, in dem er singt: „die Leute sind mir wurscht“. Konsequenterweise richtet er – wie gewohnt – kein Wort ans Publikum und ob der fast 76-Jährige unter der Hutkrempe überhaupt in die Reihen gelinst hat oder für sich spielt, wer weiß das schon? Zum dritten zaubert auch die ansonsten dezente Lichtgestaltung ab und an eine Art orangefarbenes Kirchenschiff in den Bühnenhintergrund.
Aber zum Konzert: Bei den ersten Songs steht Dylan breitbeinig am Piano, das weitgehend unhörbar bleibt, bis nach einer guten Viertelstunde die Techniker den Klang in den Griff bekommt. Da hat er schon mit „Don’t think twice, it’s all right“ einen heftig beklatschten Klassiker gespielt, dazu „Highway 61 Revisited“ und „Beyond here Lies Nothing“.
Coverversionen, die es in sich haben
Mit anderen Worten: Dylan arbeitet sich vor allem durch ältere Werke und einige Stücke der jüngeren CDs und streut nur wenige Coverversionen ein. Die aber haben es in sich: Zu „Melancholy Mood“ von Frank Sinatra swingt die Band und der Meister schreitet mit hochgezogenen Schultern zum Mikrofonständer, mit der in der Bühnenmitte beinahe so etwas wie ein Duett tanzt.
Wobei: Das mit dem Tanzen ist relativ. Dylan bleibt auch an diesem Abend der musikalische Ausdeuter des großen amerikanischen Songbooks. Seine Lesart ist oft die des dunklen, fast marschierenden Blues, bei dem er Texte immer in die typische Dylansche Phrasierung überführt, bei denen die Stimme am Ende der Zeile nach unten wegrutscht.
Fast wie ein Imitat von Helge Schneider
Ansonsten – halten zu Gnaden – tapst er mit hochgezogenen Schultern über die Bühne als wolle er Helge Schneider imitieren, ein Eindruck, den manche seiner Pianointros noch verstärken – würde es wen wundern, wenn jetzt gleich ein federndes „Katzeklo“ daherkäme?
Nein, dahin lässt sich Bob Dylan natürlich nicht herab. Als er nach gut anderthalb Stunden zu den zwei Zugaben wieder auf die Bühne kommt, spielt er „Blowin’ in the Wind“ in einer Version, dass man sich unwillkürlich fragt, ob Dylan erkennt, dass Dylan hier einen Dylansong covert. Und das eben ist das Meisterhafte bei ihm: Auch mit knapp 76 Jahren auf seiner niemals endenden Tour seine Lieder so anzugehen, als würde er sie jetzt gerade erfinden – Things have changed – Dylan vermag es, auch die Lieder zu verändern, die auf ewig im Liederbuch der Welt festgeschrieben stehen. Wer das Original hören will, hat draußen vor der Halle bei zwei Dylansängern die freie Auswahl. Der dritte singt übrigens Springsteen.