Mülheim/R. . Auf einen durchaus heiklen, schmalen Grat hat sich das Kunstmuseum Alte Post in Mülheim begeben: Die neue Ausstellung „Weltenwanderer“ kombiniert den einen Hausschatz – August Mackes Tunis-Aquarell „Blick in eine Gasse“ mit einem anderen, nämlich Arthur Kaufmanns Gemälde-Ikone „Die Geistige Emigration“, die mit drei Dutzend Exilanten des Naziregimes auch den enormen intellektuellen Verlust ins Bild rückt.
Auf einen durchaus heiklen, schmalen Grat hat sich das Kunstmuseum Alte Post in Mülheim begeben: Die neue Ausstellung „Weltenwanderer“ kombiniert den einen Hausschatz – August Mackes Tunis-Aquarell „Blick in eine Gasse“ mit einem anderen, nämlich Arthur Kaufmanns Gemälde-Ikone „Die Geistige Emigration“, die mit drei Dutzend Exilanten des Naziregimes auch den enormen intellektuellen Verlust ins Bild rückt.
Verheerende Folgen für Liebende
Es geht also um den künstlerischen Reiz der Ferne, wie er bis heute im Tourismus fortlebt, und die Zwangsvertreibung ins Exil. Dass diese beiden Extreme einander in unserer Zeit überhaupt nicht ausschließen, machen Sven Johnes Lampedusa-Fotografien unter dem Titel „Traumhotels“ deutlich: Die seltsam menschenleeren Blicke vom Touristenbett hinaus auf Meer und Hafen wären banal, wüsste man nicht darum, dass hier jederzeit Flüchtlinge ins Bild kommen könnten, tot oder lebendig.
Das Schwergewicht der Ausstellung liegt denn aber doch auf der Erkundung dessen, was der äußerlich erzwungene Ortswechsel mit der Seele eines Menschen und mit seinem Lebensgefüge macht. Das beginnt bei Ernst Barlachs berühmtem „Flüchtling“, der freilich schon 1920 entstand und die überzeitlichen Fluchtumstände thematisiert: Dass Flüchtlinge von den Umständen niedergedrückt sind, dass sie sich mit Gegenwind herumschlagen müssen und dazu neigen, sich wie in einer Muschel zu verschließen, und mehr Kraft als andere zum Vorwärtskommen brauchen.
Wie ganz anders die Erfahrungen des verfolgten Juden Felix Nussbaum, die 1943 im Brüsseler Versteck, wo schon die Farbgerüche ihn zu verraten drohten: Seine gesichtlosen hölzernen „Gliederpuppen“, eins seiner letzten Gemälde, bevor ihn die Nazis 1944 in Auschwitz ermordeten, verrät auch etwas von den verheerenden Folgen, die eine Fluchtsituation für Liebende haben kann – Angst, Entfremdung, Entmenschlichung, Entzweiung. Und während Arthur Kaufmann mit dem Begriff „Emigration“ noch die Perspektive der Bleibenden übernahm, teilt die Kunst des Exils den Blickwinkel der Betroffenen.
Videos und ein Labyrinth
Schon Edward Said nannte das 20. und 21. Jahrhundert das „Zeitalter des Flüchtlings“. So konfrontiert die von Museums-Chefin Beate Reese kuratierte Schau „klassische“ Flucht-Kunst (wie auch Oskar Kokoschkas „Odyssee“-Illustrationen) mit aktueller. Dem Video des in Witten geborenen Nikolaus Goldbach von Grenzzäunen („Boulevard de l’Europe“) etwa. Oder der beeindruckenden Rauminstallation der im Iran geborenen, 1999 nach Deutschland übersiedelten Maryam Motallebzadeh: ein Labyrinth aus schier himmelhohen blauen Gaze-Vorhängen, dazwischen Wände aus Tagebuchseiten und Briefen, manchmal in Fetzen an Schnüren aufgereiht oder nebeneinandergeklebt – auch hier wird der Zwiespalt zwischen Befreiung und Verlassen spürbar.