Köln. Ed Sheeran, der derzeit angesagteste Brite der Welt, hat vor 16.500 Fans in Köln gespielt. Auf der Bühne machte er mehr als bloß einen guten Job.

Joanne K. Rowling hat die Geschichte nicht ganz richtig erzählt. Oder – bewusst – etwas unterschlagen. Vielleicht ja deshalb, weil sie vorhat, eine neue Geschichte zu erzählen? In deren Mittelpunkt diesmal nicht Harry Potter steht, sondern Ed. Der Ed ist der sechste Bruder von Ron Weasly, Harrys bestem Freund. Also genau der, den Rowland uns verschwiegen hat. Dass auch dieser Ed ein Weasley ist, erkennt man sofort an seinen Haaren. Die sind karottenrot. Wie bei allen Weasleys. Als Kind wurde Ed in ein Paralleluniversum entführt. Er wusste daher nicht, dass er aus einer Familie von Zauberern stammt. Er dachte, er sei der Sohn von John und Imogen Sheeran und in West Yorkshire geboren.

„Ihr seid der Wahnsinn“

Auch diese Geschichte geht natürlich wieder gut aus. Schließlich ist sie von Joanne K. Rowling. Na ja, sie könnte es sein. Mit Hilfe einer Gitarre, seiner Stimme und den Songs, die ihm schon früh im Kopf herum spukten und die unbedingt raus wollten, hat Ed dann trotzdem noch seine wahre Berufung entdeckt. Und verzaubert seitdem die Menschen mit seiner Musik. So auch in der Kölner Arena, wo er 16 500 Fans Momente voller Magie schenkt. Dabei kommt der derzeit angesagteste Brite der Welt ganz bescheiden daher: „Ihr seid der Wahnsinn. Selbst wenn meine Karriere mal bergab geht, das bleibt mir für immer in Erinnerung!“

Wenn Edward Christopher Sheeran, der mit den wuscheligen Apfelsinenhaaren und dem entwaffnenden Grinsen ein Bruder von Ron Weasley sein könnte, um Punkt 20.30 Uhr die Bühne betritt, dann tut er das ganz allein. Der Mann braucht keine Band. Keine halbnackten Tänzerinnen, kein Heer von Hintergrundstimmen, kein raffiniertes Bühnenkostüm.

Aus dem Sturm wird ein Orkan

Stattdessen sieht er aus wie irgendein 26-jähriger in T-Shirt, Jeans und Sneakers, mit dem man im nächsten Pub um die Ecke prima einen trinken könnte. Oder auch zwei. Trotzdem bricht da schon ein Sturm los. Familien in vollständiger Besetzung von bis zu drei Generationen, Paare, Freundinnen, Jungs-Cliquen, Normalos, Schickimickis und Pseudo-Hippies – sie alle brüllen vor Begeisterung. Und dann wird aus dem Sturm ein Orkan. „Mein Job ist es, euch zu unterhalten“, sagt Sheeran. So viel Einsicht in das, was sie sind, nämlich Dienstleister, legen Stars höchst selten an den Tag.

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Was Sheeran da in den nächsten zwei Stunden macht, ist allerdings mehr als ein guter Job. Er bearbeitet seine Gitarre dermaßen wild, dass man fürchtet, gleich flögen die Späne. Späne aus Holz, Späne aus Metall, Späne von Herzen. Sheeran singt von dem, was man sonst nur denkt. Über das Schloss oben auf dem Hügel, von dem er als 16-Jähriger so verzaubert war. Von dem Blödmann, den sich seine Ex angelacht hat. Einer, der Bier trinkt und trotzdem einen Waschbrettbauch hat. Sheeran hat keinen – und braucht ihn auch nicht. Aber er hat unzählige Tattoos, wie mit Kinderkreide auf die Arme gemalt, und eine Stimme, bei der es Lerchen regnen müsste. Und James Blunt sollte den Kopf einziehen.

Zauberbarde und Gitarrenhexer

„Nancy Mulligan“ und das „Galway Girl“ lassen von der grünen Insel her grüßen. Wein, wie Glut, wie Purpursamt pulst der „Blood­stream“ durch die Adern der Zuhörer. Nicht erst da stehen die Menschen auf den Rängen. Sondern weit bevor als drittes Stück „The A Team“ erklingt. Der Song, der dem Zauberbarden und Gitarrenhexer in Deutschland als Debütsingle den Durchbruch brachte. Sie stehen von Anfang an. Und das bleibt auch so. Außer, wenn es ganz besonders gefühlig wird – und sich Sheeran ausnahmsweise von einem Keyboarder begleiten lässt.

Ein magisches Requisit aber hat er doch mitgebracht, auch ganz ohne Schulzeit in Hogwarts: Eine bewegliche Leinwand-Installation, die mal an ein nostalgisches Karussell erinnert, mal an einen Mammutbaum oder einen mit Nieten bewehrten, gepanzerten Turm. Darüber rinnen Ströme von Rosenblättern, Korallen und Fische entführen in eine Unterwasserwelt, ein Hobbit und seine Gefährten ziehen durch Smaugs Einöde. Auch in dieser Gesellschaft könnte man sich Sheeran gut vorstellen. Nicht nur weil das Titelstück für den Film von ihm stammt. Aber das wäre eine andere Geschichte. Von einem anderen Autor, in einer anderen Zeit. Diese spielt hier und jetzt – Köln, Donnerstagabend, in einer verzauberten Nacht.