Berlin. Das Revier präsentiert sich auf der ITB: Die Sympathiewerte des Ruhrgebiets steigen. Den Kohle-Ausstieg 2018 sehen Anbieter als weitere Chance.

Neulich ist Kerstin Zaidi ins Ruhrgebiet gefahren. 500 Kilometer von Berlin aus nach Westen, für fünf Tage auf Entdeckungstour. Im Gepäck: alte Klischees vom Revier – grau, eng, traurig. Und dann die Überraschung, dass es ganz anders ist, dieses Ruhrgebiet. „Wie groß es ist, wie grün, und wie schön es an der Ruhr entlang aussieht.“ Der Ruhrtourismus wächst – auch wegen solcher Besucher wie Kerstin Zaidi. Touristen, die neugierig sind und mal gucken wollen, was die Leute tief im Westen meinen, wenn sie von Industriekultur reden.

Als Reiseziel funktioniert es

Das Kulturhauptstadtjahr 2010 hat Neugier gesät, nicht nur bei Kerstin Zaidi ist die Saat aufgegangen. Das Revier als Reiseziel – es funktioniert. Umfragen zeigen, dass die Bundesbürger beim Thema Industriekultur als erstes ans Ruhrgebiet denken, keine andere deutsche Reiseregion hat diesen Ruf. „Wir sind das Original“, sagt Axel Biermann, Geschäftsführer der Ruhr Tourismus GmbH. „Die anderen haben alle später angefangen.“ Die Berliner zum Beispiel wollen deswegen jetzt enger mit den Kollegen aus dem Ruhrgebiet zusammenarbeiten – um zu lernen: „Das Ruhrgebiet ist die Mutter der Industriekultur“, sagt Dorothee Haffner vom Berliner Zentrum Industriekultur. Beim ersten Besuch im Revier sind sie erstmal aufs Rad gestiegen: Radelnd Kultur entdecken – da sind sie an der Ruhr schon deutlich weiter als in der Hauptstadt. Auch das Konzept der „Extraschicht“ als Nacht der Industriekultur wollen die Berliner übernehmen. Ein neuer Kooperationsvertrag mit dem Regionalverband Ruhr soll den Austausch fördern.

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Die Sympathiewerte des Ruhrgebiets, auch das zeigen Umfragen, wachsen stetig. Doch nicht für alle Ruhrtouristen ist es Liebe auf den ersten Blick: „Hässlich“ findet Kerstin Zaidi den Anblick, als sie am Essener Hauptbahnhof aussteigt. Auch die ewig gleichen Fußgängerzonen findet sie öde. Doch die Ruhrtouristin lässt sich nicht abschrecken: „Man guckt da bald nicht mehr hin, sondern schaut auf das Schöne.“ Sie geht ins Theater, in Recklinghausen, Hagen und Bochum, besucht die Philharmonie in Essen und das Museum Folkwang. Sie schaut sich die Margarethenhöhe an und die Krupp-Villa. Und findet am Ende: „Sehr, sehr vielfältig. Ein bisschen wie Berlin mit seinen unterschiedlichen Kiezen.“

Magnet Bergbaumuseum

Die stärkste Erinnerung aber bleibt das Bergbaumuseum in Bochum. „Das hat mich tief beeindruckt.“ Ein ehemaliger Bergmann führt die Berlinerin unter Tage und erzählt ihr aus seinem Arbeitsalltag. „Das hat Geschichte geatmet, ich habe das erste Mal begriffen, was das eigentlich heißt ‚Kumpel‘ zu sein.“

Nächstes Jahr ist der Ruhrbergbau endgültig Geschichte: Ende Dezember 2018 schließt die Zeche Prosper Haniel in Bottrop, die letzte im Revier. „Für den Ruhrtourismus ist das eher eine Chance als ein Risiko“, glaubt Tourismusexperte Biermann. Schicht im Schacht – das könnte neue Aufmerksamkeit ins Revier bringen. Zumal es schon Pläne gibt für die Zeit nach 2018: Das Trainingsbergwerk in Recklinghausen soll Besucherbergwerk werden, 2019 könnte es bereits eröffnen. „Wir fänden es klasse, wenn das Ruhrgebiet nach dem Ende des Bergbaus ein echtes Bergwerk für Touristen bekäme“, sagt Biermann. Größer, lebensnäher als im Bochumer Bergbaumuseum. Die letzten Tage von Prosper Haniel wollen sie nutzen, um noch einen 3-D-Film über den Alltag der Kumpel zu drehen – „nur die Duschen lassen wir weg“.