Düsseldorf. . Die Punkrockband bezieht auf ihrem neuen Studioalbum „(Sic!)“ politisch deutlich Stellung gegen rechtsextreme Gedanken und den Alltagsrassismus.

Keine deutsche Rockband hat in den vergangenen Jahren solch riesige Sprünge nach vorn gemacht wie die Düsseldorfer Broilers: Von den rotzig-trotzigen Vorort-Oi-Punks zu landesweiten Arenenfüllern – ein Erfolg durch Fleiß, Unerbittlichkeit und konstante Qualität , ohne sich zu verbiegen. Auf „(Sic!)“, ihrem siebten Studioalbum, werden die Broilers sehr politisch und kritisch in der Auseinandersetzung mit Deutschland. Wir sprachen mit Sänger Sammy Amara über den Rechtsruck in Deutschland, Alltagsrassismus, das Selbstverständnis der Band und seine Liebe zu Bruce Springsteen.

Herr Amara, als das Broilers-Album „Noir“ herauskam, standen gerade Demonstranten des lokalen Pegida-Ablegers auf den Straßen von Düsseldorf. Nun hört man von denen nichts mehr, aber auf „(Sic!)“ beziehen Sie deutlich Stellung gegen nationales Denken.

Sammy Amara: Pegida ist zwar weg, aber das Klima ist schlimmer denn je. Wir laufen Gefahr, dass man in so einen Strudel gerät, in dem die Angst geschürt wird. Und davon leben ja all diese Vereine. Sei es der Islamische Staat, sei es die AfD: Sie alle leben nur von Angst.

Sie selbst als Sohn eines irakischen Vaters und einer deutschen Mutter setzen sich in „Zu den Wurzeln“ ja auch mit Ihrer Abstammung ausein­ander. Anlass für den Song war, dass Sie in einem Geschäft wegen ihres Äußeren des Diebstahls verdächtigt wurden. Ist Alltagsrassismus Ihr ständiger Begleiter?

Wollen wieder raus auf die Straße: die Broilers.
Wollen wieder raus auf die Straße: die Broilers. © Robert Eikelpoth

In der Situation fiel es besonders auf, weil ich nicht damit gerechnet hatte. Aber mir begegnet Rassismus mein ganzes Leben lang. Ich sehe die Blicke, die mir entgegengeworfen werden. Vielleicht nehme ich manchmal zu Unrecht an, dass die Leute einen bösen Blick für mich haben. Aber dass es Rassismus gibt, sieht man an der Silvestergeschichte in Köln.

Inwiefern?

Ich frage mich zum Beispiel, was gewesen wäre, wenn ich an diesem Abend auf dem Weg zu Freunden in die Kölner Innenstadt gewesen wäre...

„Ich glaube, dass wir immer auf dem Teppich geblieben sind“

Die Polizei hat da ja die Wiederholung der Gewalt von 2015 vermieden, aber Verbalprügel bezogen...

Klar, die waren in einer Zwickmühle. Aber das Profiling, das da stattgefunden hat, das ist rassistisch. Der Schmerz derjenigen, die da wegen ihrer Herkunft beurteilt werden, ist kaum nachzuvollziehen von Leuten, die nie Gefahr laufen, dass ihnen so etwas passiert. Manche Leute sagen mir auch: Aber ich bin Hooligan, ich werde auch von den Bullen angehalten. Oder ich bin Fascho. Ich sage dann: Ja, aber du hast dir das ausgesucht. Du wolltest Hooligan werden, du wolltest Fascho werden und hast dir die Klamotten angezogen. Aber du bist nicht so auf die Welt gekommen und hattest keine Option.

Die Broilers gab es schon 20 Jahre, bevor sie so erfolgreich wurden. Hat der Erfolg etwas verändert?

Ich glaube, dass wir immer auf dem Teppich geblieben sind. Weil wir als Band immer kleine Schritte gemacht haben. Außerdem haben die Punkwurzeln uns geerdet. Und wir sind in Deutschland, wo Erfolg nichts ist, womit man hausieren gehen kann.

Wie eine Zirkusfamilie on tour

Hat der Erfolg und die neue Situation auch zu neuen Konstellationen innerhalb der Band geführt?

Nee, wir kennen uns schon so lange und hängen schon so lange miteinander rum. Das jüngste Bandmitglied, als unsere Neuerwerbung, ist 2006 eingestiegen. Christian aus Oberhausen. Und auch von ihm kennen wir mittlerweile alle Tics. Das ist wie ein einer Partnerschaft, du kennst jedes Geräusch. Du weißt, was dir auf den Sack geht. Du weißt, wann du die Person gerade besser nicht nervst – oder wann Du sie gerade nerven musst. Das hat keine neuen Erkenntnisse gegeben. Was sich geändert hat: Dass wir jetzt eine Tourgröße haben mit einer Mitarbeiteranzahl, wo wir jetzt ganz genau wissen: Wie verhalten wir uns am besten, dass jeder glücklich wird. Du bist ja eingesperrt wie im U-Boot über eine längere Zeit. Jeder hat auch einen anderen Tagesablauf. Ich stehe später auf, Ines steht ganz früh auf. Das geht alles. Wir haben uns da schön eingegroovt, das ist wie so eine Zirkusfamilie on tour.

Mit Ihrem eigenen Plattenlabel haben Sie sich auch Ihren Do-it-yourself-Geist bewahrt...

Wir mussten natürlich auch um vieles streiten. Wir hatten immer ganz konkrete Vorstellungen davon, wie der Band gestaltet werden soll. Wie die Band sich präsentieren soll, was sie tun soll und was sie nicht tun sollte. Und oft gehen die Vorstellungen auseinander, weil unsere Vorstellungen nicht immer kommerzielle sind. Jetzt haben wir ein eigenes Label – und jetzt gibt es die Diskussionen nicht mehr. Alle Leute, die für uns arbeiten, die bezahlen wir. Das heißt: Wir müssen nicht das tun, was die von uns wollen.

Lieber heiß oder kalt als lauwarm

Gibt es Punks, die wegen des Erfolgs keine Lust auf die Broilers haben?

Wenn du deine Coolness darüber definieren möchtest, wie tief im Underground deine Lieblingsband ist, ist das bei uns nicht mehr so gut möglich. Wir würden nicht mehr sagen: Wir sind ‘ne Punkband. Es gibt Leute, die finden uns gut, und welche, die finden uns scheiße. Mir ist das lieb so: Lieber heiß oder kalt als lauwarm.

Als Helden haben Sie schon oft jemanden genannt, von dem man es nicht erwartet hätte: Bruce Springsteen. Wie lässt sich das erklären?

Es gibt zwei Bands, bei denen fühle ich mich zu Hause. Das eine ist The Clash, die wichtigste Band für mich. Auf der anderen Seite: Wenn man sich von irgendwas eine Scheibe abschneiden kann, dann von Springsteen und seiner Band, auch wie die sich politisch positioniert haben. Er schafft es, seine humanen Ideale in den Mainstream zu bringen. Und nicht wie Helene Fischer zu sein, die ihre Schnauze hält, um mehr Platten zu verkaufen. In diesen Zeiten komplett unpolitisch zu bleiben, ist ein Statement für sich.

  • Am Freitag, 3. Februar 2017, erscheint das siebte Broilers-Album „(Sic!)“ (Skull & Palms Recordings/Warner), am heutigen Donnerstag spielen sie einen schon ausverkauften Heimgig im Düsseldorfer Con-Sum. In größerem Rahmen spielt die Band unter anderem am 2. und 3. März in Münster sowie am 25. März in der Kölner Arena.