Düsseldorf. . Das Düsseldorfer Schauspielhaus zeigt einen rasanten „Faust (to go)“ an wechselnden Orten: Ein Blitz-Goethe für die Generation Internet.

Das Leben, eine lange Straße. 140 km/h zeigt der Tacho, auf der Rückbank kauert Gretchen mit verträumtem Blick. Das Lächeln, denkt man, wird ihr noch vergehen - wer sich zum Teufel ins Auto setzt, kommt unweigerlich zu Schaden. Seit Samstag fügt Düsseldorf den Fäusten der Republik eine weitere Version hinzu. Hier wird das Suchen und Streben auf die Spitze getrieben. Mit „Faust (to go)“ schickt Regisseur Robert Lehninger den tragischen Ur-Helden auf eine rasante Reise. Ein Blitz-Goethe für die Generation Internet.

Die Idee des Schauspielhauses ist nicht neu, aber gut: Wenn das Publikum nicht ins Theater kommt, kommt das Theater zu den Zuschauern. So geschehen jetzt in der ziemlich kühlen Christuskirche im Viertel Oberbilk, künftig soll „Faust (to go)“ auch an anderen Orten gastieren. Wer nun aber ein Kammerspiel im Koffer erwartet, täuscht sich. Lehninger, gern im Medium Film unterwegs, öffnet die Bühne in unendliche Weiten. Ein Container dient als Kulisse und Leinwand, Außenaufnahmen wechseln sich mit Spielszenen ab. Auf diese Weise kann Faust auch vom Fahrersitz eines Wohnmobils aus erkunden, was die Welt im Innersten zusammenhält.

In der Kirche steht ein Labor, Faust und Wagner setzen verkohlte Fotoreste zusammen. Vergangenheits-Rekonstruktion. Der Meister ist nicht bei der Sache. Er badet im Selbstmitleid, hat, ach Philosophie, Juristerei und Medizin studiert, ohne Nutzen. Dann ein Film, die Rheinwiesen, ideal für den Osterspaziergang. Dort läuft Faust ein Pudel zu. Als er ihn badet, wird er zu Mephisto.

Es gibt viel zu sehen, via Leinwand und real. Der Erdgeist wird zur Bildstörung, dann gilt auch schon die Wette, mit blutigem Handschlag besiegelt. Junge Leute plappern hohl über Studienpläne, wohl in Memoriam an Auerbachs Keller. Eine Blondine deklamiert das Hexen-Einmaleins, daneben tobt eine House-Party, Gretchen sprüht Graffiti an Wände. Faust setzt eine Freddy-Krüger-Maske auf und wieder ab, aus jung mach’ alt und umgekehrt, dazu gibt es Glockengeläut, Orgel- und Rockmusik. Und gesungen wird natürlich auch. Viele Fäuste für ein Halleluja.

Für Puristen sicher zu viele. Wer nach dem alten Volksmärchen sucht, muss graben. Daran können auch der (stark gekürzte) Originaltext und fünf flexible Schauspieler nichts ändern. Die Figuren scheinen bei dem ganzen Brimborium überhaupt etwas kurz gekommen zu sein. Torben Kessler als Titelheld, angelegt als zauseliger Jedermann, spielt solide, aber wenig eindringlich. Das gilt auch für Mephisto (Stefan Gorski), ein hübscher, biegsamer, leicht schmieriger Kerl, der nur leider gar nicht teuflisch ist. Gretchen (Cennet Rüya Voß) kommt mit Mini und modisch lila-grauem Haar daher, ein Früchtchen mit „Was ist die beste Partie“-Shirt, das via WhatsApp mit Lieschen lästert („Hast von Bärbelchen gehört?“). Das brave Kind, den gefallenen Engel, nimmt man ihr nur mühsam ab.

Spaß macht die Inszenierung trotzdem. Faust als Roadmovie, der moderne Mensch im Turbotempo auf der Jagd nach dem einen Augenblick, bei dem es sich zu verweilen lohnt, das hat was. Am Ende ist Gretchen tot wie immer - Faust ist am Strand gelandet. Sieht endlich glücklich aus, der Mann. Man sollte mal wieder ans Meer fahren.

2 Stunden, keine Pause. Tickets/Termine 0211 369911, www.dhaus.de Wer über einen größeren Raum verfügt, kann die Inszenierung zu sich einladen. Infos via E-Mail an kbb@duesseldorfer-schauspielhaus.de