Der Mülheimer Theaterpreis 2007 geht an "Rimini Protokoll".Eine Entscheidung, die Fragen aufwirft

Mülheim. Die RAF und zwei Rache-Königinnen gegen die Stasi - und am Ende ist Karl Marx der lachende Gewinner. Wir wissen zwar nicht, wo der kleine Republikflüchtling, eine lebende Maus aus "Mala Zementbaum", geblieben ist, aber fest steht: "Karl Marx: Das Kapital, Erster Band" von "Rimini Protokoll" hat den mit 15 000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikerpreis gewonnen. Und den Publikumspreis räumte das Regie-Team Helgard Haug und Daniel Wetzel, die hinter "Rimini Protokoll" stehen, gleich mit ab.

Mit einer doppelten Sensation und einem Stück, das gar keins ist, endeten die 32. Mülheimer Theatertage. Mit dieser Entscheidung des wichtigsten Festivals deutschsprachiger Gegenwartsdramatik dürfte ein Rauschen durch die Dramatikerlandschaft gehen. Denn bei den "Stücken" stehen die Autoren im Mittelpunkt. "Rimini Protokoll" schickt dagegen die Experten des Alltags auf die Bühne.

Beim "Kapital" schildern Menschen ihre eigene Geschichte in Splittern, spielen dabei die Rolle ihres Lebens. Es ist so eine Art Talk-Show über den praktizierten Sozialismus und verändert sich mit den Darstellern und den Spielorten. Zwar mag die "Methode Rimini" mit authentischen Biografien ein spannendes Stück Zeitgeschichte sein. Aber das Theaterkollektiv war selbst über die Einladung erstaunt. "Wir verstehen uns nicht als Dramatiker", sagte Daniel Wetzel nach der Aufführung.

Schon bei der Nominierung gab es den Streitfall "Rimini Protokoll", so Till Briegleb, Jury-Mitglied und Sprecher des Auswahlgremiums. "Die Autorenschaft und Nachspielbarkeit waren ein umstrittenes Thema." Jedenfalls ist der "Streitfall" über mehrere Diskussionsrunden der fünfköpfigen Jury glatt ins Finale durchgerutscht. Die Entscheidung wirft damit auch die Frage nach der Zukunft des zeitgenössischen Dramas auf.

Die Sozialismus-Revue überholte knapp Elfriede Jelinek mit ihrem wortgewaltigen und komplexen RAF-Stück "Ulrike Maria Stuart". Am Ende stand es 2:2. Den Ausschlag gab der Heidelberger Intendant Peter Spuhler, als er sich der Kapital-Front anschloss.

"Respekt für Frau Jelinek, aber sie hat den Preis schon zweimal." Mit in der Endrunde: Martin Heckmanns (Wörter und Körper) und das Autoren-Duo Armin Petras/Thomas Lawinky mit "Mala Zementbaum". Teils mit schwerem Herzen hatte sich die Jury am Anfang besonders von den jungen Autoren Dirk Laucke (Alter Ford) und Darja Stocker (Nachtblind) sowie von Feridun Zaimoglu/Günter Senkel (Schwarze Jungfrauen) und Lukas Bärfuss (Die Probe) verabschiedet.