Gasometer als Spielort für Henrik Ibsens Drama "Peer Gynt" in der Inszenierung von Intendant Johannes Lepper.Eines der größten Werke der Weltliteratur in einer griffigen und faszinierenden Fassung

Oberhausen. Wohl kaum eine Industriekathedrale dürfte spannendere Herausforderungen an Theatermacher stellen als Oberhausens Gasometer, den das Theater der Emschermetropole weit vor der Ruhr Triennale als Spielort entdeckt hat. Oberhausens Intendant Johannes Lepper krönte diese Ausflüge jetzt mit seiner Performance von Henrik Ibsens "Peer Gynt". Ein Faszinosum von seltener Größe.

Schon das Entree zu Peer Gynts Suche nach dem Ich hat ein nachgerade dämonisches Ambiente, Johannes Lepper lässt den Träumer in seine neue Welt eintauchen wie einen Taugenichts, die großartige Strichfassung reflektiert auch Theater im Theater: "Wie alt muss ein Schauspieler werden, um zu entdecken, wie groß er ist?"

Leppers Peer Gynt, verdichtend herausgefiltert aus einem der größen Werke der Weltliteratur, ist inmitten von Flatterband und einem auf Heiligendamm verweisenden Zaun ein Global Player der besonderen Art, der mal kafkaesk in einem Tennis-Richterstuhl herumklettert, mal wie ein Tourist mit Strohhut oder ein Dandy mit Schirm auftaucht. Er streift gleich einer beseelten Märchenfigur vom Gendin-Grat über die Höhle des Trollkönigs, die Wüste und das Irrenhaus in Kairo bis zurück zu Solvejgs Hütte.

Die Zwiebel wird dabei zur Metapher. Mit jedem Häuten wird sie auf der Suche nach dem Kern kleiner: "Wo ist der Kern?" Irgendwann kommt der Spinner zur Erkenntnis: "Die Welt ist abgelegt, ich gründe eine neue." Eine sympatische Idee. Aktueller denn je. Die Musik reicht von Griegs Suite bis zu "Andalusischen Nächten" - wenn die wahnwitzige Klang-Inszenierung, mit der FM Einheit und der von Petri Sirviö geleitete finnische Schreier-Chor "Huutajat" Johannes Leppers Regiekonzept kongenial begleiten, einmal Pause macht.

Die lange Reise reflektieren Koffer auf der Scheiben-Bühne, auf der Michael Witte Ibsens dramatisches Gedicht zwei Stunden lang zu einer ebenso bedrückenden wie verzweifelten, aber auch beschwingten Suche auch nach Liebe und Unsterblichkeit adelt. Er schafft den Kunstgriff, den Peer Gynt gleichermaßen introvertiert und nach außen gekehrt zu formen, parliert mit dem Publikum, ohne eigentlich von diesem Notiz zu nehmen. Die hohe Sprech- und Spielkunst ragt aus einem insgesamt großen Theaterereignis noch heraus.