Tobias Richter leitet die Deutsche Oper am Rhein mit den beiden Häusern Düsseldorf und Duisburg.Er sieht das Abonnenten-System der alten Prägung gefährdet und wird 2009 aufhören
Düsseldorf. Bereits seit 1996 leitet er ein Großunternehmen: Tobias Richter ist Generalintendant der Deutschen Oper am Rhein mit ihren Häusern in Düsseldorf und Duisburg. Eine Herausforderung in finanziell schwacher Zeit. Und eine Herausforderung auch, weil das Düsseldorfer Haus saniert wird und man eine Übergangsspielstätte nutzen muss, was - wie man beim Ausflug der Duisburger Philharmoniker ins Theater am Marientor sah - auch Publikumseinbußen bringt. Tobias Richter, der auch das "Festival International de Musique Classique" in Montreux-Vevey leitet, will im Jahre 2009 aufhören. Michael Stenger sprach mit ihm.
Haben Sie viele Gäste in Düsseldorf durch die Zeltlösung verloren, die nun länger dauert, als man erwartete?
Richter: Jede Maßnahme hat sofort eine Reaktion zur Folge. Es kommt ein generelles Problem hinzu: Der Typus Abonnent ist auf dem Rückzug. Die Abo-Zahlen gehen grundsätzlich zurück. Es gibt immer weniger Leute, die an einem bestimmten Tag neben Frau X oder Herrn Y sitzen wollen.
Was ist mit den Menschen, die jetzt fortbleiben?
Richter: Es gibt Besucher, die sagen: Warten wir ab, wann ihr zurückkehrt, dann kommen wir auch wieder. In gewisser Weise müssen wir nach der Rückkehr aber wieder in Düsseldorf neu anfangen. Gegenwärtig sind wir ständig gezwungen, innerhalb kurzer Zeit Umstellungen im Spielplan zu machen. Wir haben ein spielfertiges Haus zu bekommen, sind aber nicht der Bauherr, sondern allenfalls Zaungäste. Die Zuschauer, die unsere Existenz sichern, wollen gute Nachrichten hören.
Der Erwartungsdruck ist groß?
Richter: Der Theaterbesuch soll ja ein Gesamterlebnis sein. Eine tolle Aufführung, ein schönes Ambiente. Es wird optische Veränderungen geben, eine gute Klimaanlage und akustische Verbesserungen.
Funktioniert dieses Zwei-Städte-Theater reibungslos?
Richter: Ich muss nicht mit den Wölfen heulen, denn es hat keinen Sinn, Konfliktfelder permanent offen zu halten. Wir haben einen Etat, wie er schon vor über zehn Jahren bei Horres war. Das führt nun zu einem reduzierten Angebot an Vorstellungen. 64 Prozent der Rheinoper zahlt Düsseldorf, 36 Prozent Duisburg. Langfristig werden wir die Personalkosten nicht auffangen können. Der Düsseldorfer Rat signalisiert Hilfsbereitschaft, der Duisburger Rat kann in der prekären Finanzlage der Stadt da nicht mithalten.
Schafft das nicht Missstimmungen im Verhältnis?
Richter: Die Düsseldorfer tun sehr viel, um auch den schwächeren Partner im Spiel zu halten. Wir sind in Deutschland nach der Semper-Oper und München das wirtschaftlichste Haus. Aber die Zeiten werden schwerer. Das zehrt an den Kräften, weil die Rahmenbedingungen sich nicht verbessern. Wir wissen oft nicht einmal, mit wieviel Geld wir rechnen können.
Und das Land?
Richter: Eigentlich hatte man mehr Engagement nach dem Regierungswechsel erwartet. Was man nicht erwarten kann, ist, dass die Triennale mit uns zusammenarbeitet. Deren Unabhängigkeit ist wesentlich. Aber ich glaube, dass die Rheinoper, Köln und Essen Hilfe verdient hätten.
Glauben Sie, dass die Theater langfristig zu Verlierern werden?
Richter: Wie ich schon sagte: Es gibt weniger Zuschauer, die sich für längere Zeit binden wollen. Die Sache allein reicht nicht mehr. Die Freizeitgesellschaft hat ihre eigenen Gesetze. Das Event ist der Stimulanzfaktor. Man besucht das, von dem man hört: Da muss man hingehen. Und Opernhäuser können nur punktuell Events liefern. Es gibt wirklich keine Geheimlösung, das Publikum zu gewinnen. Manchmal gibt es ganz unerwartet positive Wendungen. Wir setzen auf bestimmte Handschriften, durch Regisseure wie Winge, Nel oder Loy, die regelmäßig bei uns arbeiten. Können, Glück und Kohle - das muss zusammentreffen. Und, glauben Sie mir: Es ist so unendlich schwer, nach außen ein gerechtes Bild abzugeben.
Werden Sie nach 2009 das Theater ganz verlassen?
Richter: Ich hoffe zunächst, dass mein Nachfolger an der Rheinoper viel Wind unter die Flügeln bekommt. Das Haus hat es verdient. Theater ist eine Sucht. Das sage ich auch als Regisseur, der sich letztlich eigentlich im französischen Raum beheimatet sieht. Ich sehne mich vielleicht nicht nach Theater in dieser Struktur. Das Staggione-Prinzip, in dem ein Stück im Block gespielt wird, hat da seinen Reiz. Wir dienen hier ja vor allem dem Repertoire.