Bequemlichkeit ist ihre Sache nicht. Ute Lemper, einer der ganz wenigen Weltstars deutscher Herkunft, gilt als Powerfrau an der Grenze zum Workaholic, die quasi nebenbei drei Kinder großzieht.

Wie turbulent es bei der 44-Jährigen daheim in New York zugeht, erlebte Frank Grieger beim Telefoninterview. Thema u.a.: Ihr neues Album „Between Yesterday And Tomorrow”, mit dem die Sängerin bald auch bei uns live zu erleben ist.

Liebe Frau Lemper, wenn Sie in Deutschland auf Tour gehen - ist das eine Heimkehr oder eine Reise in ein Land, das Ihnen fremd geworden ist?

Lemper: Ich lebe schon so lange außerhalb von Deutschland. Nach dem Abi bin ich direkt nach Wien und dann nur sporadisch zurückgekommen. Mal ein Jahr Berlin, ein halbes Jahr Stuttgart, Paris, Frankfurt, London, wieder Paris ... ich war eine typische Europäerin, hatte drei Portemonnaies in der Tasche, mit Francs, Pounds und Deutschmark. Jetzt lebe ich seit zehn Jahren in New York.

Aber Sie empfinden Ihr Geburtsland noch als Heimat?

Lemper: In dem Sinne, dass dort meine Wurzeln liegen, ja. Aber durch 25 Jahre außerhalb bin ich in eine internationalere Kultur eingeschmolzen. Ich bin ja relativ oft in Deutschland. Dann freue ich mich auf Sachen, die es hier nicht gibt: Vollkornbrot, Brezel, Marzipan …

Bringen Sie die Kinder mit?

Lemper: Auf die Mai-Tour kommt Julian mit, die beiden Großen müssen ja hier zur Schule gehen. Der Kleine hat schon so viele Stempel in seinem Pass, da müssen wir bald neue Seiten besorgen.

Wie kriegen Sie überhaupt die Rollenbilder als Mutter und international tätige Künstlerin unter einen Hut?

Lemper: Naja, das Muttersein ist Zentrum meines Lebens. Aber im Alltag gehört einiges dazu: Rennerei, Stress, Spaß, Lachen, kleine Katastrophen, Putzen, Kochen... Das andere ist mein Job. Sehen Sie: Ich bin dankbar dafür, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte. Das Touren bedeutet auch Knochenarbeit: Flughäfen, Hotels, Soundchecks. Zwei glamouröse Stunden auf der Bühne, aber drumherum ist Schlepperei. (lacht)

Auf Ihrem neuen Album haben Sie erstmals alle Songs selber geschrieben. Auch die Texte - auf Englisch. Denken Sie eigentlich noch in Ihrer Muttersprache?

Lemper: Ach - im Alltäglichen ist Englisch Nummer eins. Ich träume sogar das meiste auf Englisch. Aber wenn ich wieder in der Routine Deutsch bin, kann ich auch umschalten. Das Gespräch mit Ihnen zum Beispiel könnte das für die nächsten drei Stunden schon wieder ändern.

Ein Song heißt „The Ghosts of Berlin”. Kurios, als Deutsche auf Englisch über die Bundeshauptstadt sinnieren, oder?

Lemper: Deutsch hätte zu dem Song nicht gepasst, das würde sofort nach einem Theaterlied oder aber einem Schlager klingen. Außerdem singe ich ja für ein internationales Publikum.

Ein anderes Lied heißt „Nomad”, Nomade. Oder sollte man sagen: Nomadin? Imautobiographischen Sinne?

Lemper: Es geht darin um den Nahen Osten. Völker, die wandern, die im Einklang mit der Natur ihre Identität finden.

Könnte fast auf Sie passen.

Lemper: Ich fühle mich eigentlich nicht mehr als Nomadin. Die Wanderjahre hatte ich in meinen Zwanzigern. Dann kamen die Kinder. Seitdem bin ich sesshaft - mit meiner kleinen Familie. In New York fühle ich mich zu Hause.Musikalisch ist das Album schwer einzuordnen. Irgendetwas zwischen Pop, Jazz und Ethno, hier und da blitzen Funk- und Tango-Elemente auf. Spiegelt sich da Ute Lemper, die Weltbürgerin?

Lemper: Es sind vielfältige musikalische Temperamente darin, ja. Manchmal hebt das Album ab und fliegt los - in den Himmel eines Jazzsongs oder eines Stückes aus dem Mittleren Osten. Aber ich bleibe die Pilotin.

Sie erzählen von der Magie des Mondes, aber auch vom Fall der Berliner Mauer, dem 11.9.2001, Atomversuchen in Nevada. Wo ist die Klammer, die all das zusammenhält?

Lemper: Alles beruht auf Geschichten, die ich im Lauf der Zeit aufgeschrieben habe - in mein kleines Krickelbuch. Das Album ist sehr episch. Eine Reise durch die Zeit und verschiedene Welten. Das ist wie eine Kamera, die verschiedene Landschaften abfährt - und poetisch festhält. Ich denke, darin steckt viel visuelle Kraft. (ruft laut: „Hello?”) Oh, entschuldigen Sie bitte …

Ute Lemper

live

  • 8.5., Konzerthaus Dortmund (Karten für 21,20-56,40€ in unseren TICKET-SHOPS)
  • 10.5.,Schauspielhaus Düsseldorf (36,65-60,80 unter Tel. 0211 / 36 99 11)

Selbstverständlich.

Lemper (nach kurzem Gespräch im Hintergrund): Ich habe gerade drei Klempner im Haus, die mein Klo reparieren. Mein kleiner Sohn hat irgendwas reingeschmissen. Das steckt jetzt da drin, man kann nicht mehr abziehen. (leicht genervt) Die müssen jetzt die ganze Toilette aus dem Keramikboden sägen …

Das aber gab bestimmt ein kleines Donnerwetter...

Lemper: Natürlich hab' ich ihm gesagt: Wenn du das nochmal machst, dann geht's aber los! (lacht)

Zurück zum Album, an dem Sie gut zwei Jahre gearbeitet haben. Während dieser Zeit haben Sie mit Ihrem Partner, dem Drummer Todd Turkisher, nicht nur Tisch und Bett, sondern auch das Studio geteilt. Kann das eine Beziehung belasten?

Lemper: Wir kommen ja von verschiedenen Seiten: Er von der Rhythmus- und Bass-Seite, also dem Rückgrat der Musik. Und ich eher aus der melodischen und harmonischen Ecke. Insofern ergänzen wir uns ganz gut. Wir überlassen uns gegenseitig unsere Stärken. Aber natürlich sind wir auch zusammen on the road - und auf der Bühne. Da gibt's schon mal kleine Querelen. Aber das gehört zu einer Beziehung: Ab und zu mal ein Donnerwetter, weil dann die Versöhnung besonders schön ist.

Kommen Sie eigentlich noch zum Malen? Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich noch nie eines Ihrer Werke im Original gesehen habe - Sie haben ja überwiegend in den USA ausgestellt. Böse Zungen behaupten: Wer sie anschaut, wird mindestens drei Tage lang schwermütig …

Lemper: (lacht) Die sind ja von den Expressionisten beeinflusst: Da ist so ein bisschen Oscar Kokoschka und Otto Dix drin, in der Farbigkeit und dem schnellen energetischen Pinselstrich. Aber ich möchte mich natürlich nicht mit diesen Größen gleichsetzen. Nun ja, seit die Kinder da sind, habe ich nur noch sehr wenig daran gearbeitet. (ruft: Yes? You Need Me?) Oh, haben Sie noch eine Sekunde Geduld?

Kein Problem!

Lemper (nach erneuten Verhandlungen im Hintergrund hocherfreut): Stellen Sie sich vor, er hat seinen kleinen Schmuselöwen ins Klo geworfen! Aber jetzt haben die Handwerker ihn rausbekommen!

Herzlichen Glückwunsch!

Lemper: (lacht) Sehen Sie, das ist das, womit ich mich hier tagtäglich beschäftigen muss … #

> La Lemper - ihr Leben im Stenogramm