Essen. „Landesbühne”, das neue Buch von Siegfried Lenz, erscheint am Mittwoch. Es ist kein Roman und keine Novelle, es ist ein Sammelsurium - ein Schelm, wer Gutes dabei denkt.

Es dreht sich alles um einen Anstaltsinsassen, wie Siggi Jepsen in der „Deutschstunde“ einer war, ein Kapitelchen Heimatmuseum kommt auch drin vor und in der Mitte erinnert es an die derbkomischen Dorfschwänke der „Bollerup“-Geschichten von Siegfried Lenz. Später wird es einen sehr ruckartigen Selbstmord geben, am Ende steht eine ebenso unerwartete Liebeserklärung. Sie freilich nicht im entferntesten so anrührend wie das, was wir vor einem Jahr in der „Schweigeminute“ als erste Liebesgeschichte von Lenz zu lesen bekamen. So in etwa nimmt sich „Landesbühne“ aus, das neue Buch des 83-jährigen Erzählers, das am 23. September erscheint.

Es bleibt ein Sammelsurium

Es bleibt ein Sammelsurium, zum Roman fehlt ihm der Atem, zur Novelle die Fallhöhe. So kommt dieses Buch um den eingebuchteten Literaturprofessor Clemens, dessen Studentinnen ihr Examen auch im Bett bestehen konnten, ohne Untertitel daher. Vor Monaten sprach Lenz mal von einem Schelmenroman, aber die einzige Verwandtschaft mit einer Ahnenreihe von Simplizius Simplizissimus bis Oskar Matzerath besteht in der Freiheit zur Unwahrscheinlichkeit, die sich Lenz in der „Landesbühne“ Seite um Seite nimmt, bis das pausenlose Zwinkern zum Dauerblinzeln missrät.

In Isenbüttel sitzen keine Verbrecher ein, sondern Gauner: Hannes, der Zellengenosse von Clemens, ernährte sich mit einer erbeuteten Polizeikelle von Bußgeldern; Mumpert lebte von den Fußballspielen, die er als Schiedsrichter verpfiff, Bolzahn führte einige Ehen simultan. Als die Landesbühne mit einem Gastspiel für Abwechslung und moralische Erbauung in der Besserungsanstalt sorgen soll, brechen sie mit anderen Häftlingen im Bus der Bühne aus. Und geraten nach Grünau.

Gähnende Einsamkeit

In diesem Kaff werden die scheinbaren Theaterleute zu Helden eines kulturellen Aufbaus, sorgen für Museum, Volkshochschule und Chor. Und werden so bekannt, dass sie bald wieder hinter Gittern sind. Hier, in der Schlusskurve des Romans, gähnt unvermittelt der Abgrund existenzieller Einsamkeit, aus der nur der Tod oder die Freundschaft heraushilft. Freundschaft, die am Ende noch wichtiger wird als die scheinbare Freiheit, die nur eine andere Art von Gefängnis ist.

All das aber bleibt eine altbacken wirkende Skizze von vielen Details. Sie wollen sich, in einer seltsamen Verschiebung aller Proportionen, die man bei diesem großartigen Erzähler noch nie erlebt hat, partout nicht zu einem Ganzen fügen. Vielleicht hat Siegfried Lenz, der Großschriftsteller, dessen Bücher zum Hausschatz der alten Bundesrepublik gehören, hier das Fragment eines größer angelegten Romanprojekts veröffentlicht. Ein böser Schelm, wer Gutes dabei denkt.

Siegfried Lenz: Landesbühne. Hoffmann und Campe, 128 Seiten, 17 Euro.