Essen. In "Mann im Dunkel" stellt Auster der Gewalt die Liebe entgegen - und wird ungewohnt emotional.
Er müsste einen Menschen töten, damit der Krieg aufhört, er würde so Millionen retten. Aber: Er müsste einen Menschen töten. Paul Austers neuer Roman stellt sich dem Thema Gewalt und Gegengewalt, verpackt in mehrere Ebenen.
Ich-Erzähler ist der 72-jährige Literaturkritiker August Brill, nach dem Krebstod seiner Frau und einem Autounfall seelisch und körperlich am Ende. Er lebt im Haus seiner Tochter Miriam, die von ihrem Mann verlassen wurde. Tagsüber schaut er Videofilme an, gemeinsam mit seiner Enkelin Katya, deren Mann im Irak ermordet wurde. Ein Haus der Trauer also.
Nachts liegt Brill wach und denkt sich eine Geschichte aus, die die Realität an Tod und Gewalt noch überbietet. Es ist die Geschichte des 30-jährigen Owen Brick, der in New York als Zauberer sein Geld verdient. Eines Tages erwacht er in einer Parallelwelt: In diesem Amerika 2007 tobt ein Bürgerkrieg. Einzelne Staaten haben sich aus Protest gegen die Wahl im Jahr 2000 separiert. 13 Millionen Menschen starben bereits. Owen Brick könnte den Krieg beenden. Wenn er in seine Welt zurückkehrte - und einen gewissen August Brill töten würde.
Paul Auster ist auf der Höhe seiner selbst und der Zeit. Das Spiel mit den Ebenen und Realitäten, seit der "New York Trilogie" sein Markenzeichen, erweitert er erstmals um eine aktuelle politische Dimension: Irak-Krieg, Bush-Wahl und 11. September. Gleichzeitig sind seine Figuren emotionaler gezeichnet denn je, stellen sich dem Gedanken an den Tod und finden Trost in der Liebe. Die Familie, sie ist ein Halt. Am versöhnlichen Ende steht ein Satz von Rose Hawthorne: "Und die wunderliche Welt dreht sich weiter."
Paul Auster: Mann im Dunkel. Rowohlt Verlag, 224 Seiten, 17,90 Euro
- Interview mit dem Autor: Paul Auster, politisch wie nie