Essen. . Eine neue CD-Box spiegelt Herbert Grönemeyers Lebenswerk – von „Zwo“ bis „Mensch“. Die Live-Aufnahme aus dem Ruhrstadion mit der fünften „Bochum“-Strophe ist auch dabei.
Da steht er nun, ein Klotz von einem musikalischen Lebenswerk – das noch nicht beendet ist. Grönemeyer. „Alles“. So heißt diese Monsterbox etwas unbescheiden, aber auch ohne große Übertreibung. 23 CDs. Alle Studioalben von „Zwo“ bis „Mensch“ wurden frisch und äußerst gelungen remastert, sie klingen klarer und doch nahe am Original. Und dazu eine Menge anderes Material, allem voran das neue und auch separat auf Doppel-CD veröffentlichte „Live in Bochum“, aufgenommen im Juni 2015 an zwei unvergänglichen Abenden im Ruhrstadion.
Für Fans lässt „Alles“ keine Wünsche offen, außer wohl dem nach mehr Zeit, um all diese Musik noch einmal in Ruhe zu hören. Aber hey, es ist Advent, was läge da näher, als sich wie beim Adventskalender jeden Tag ein Album zu gönnen?
In der Zusammenschau offenbart sich, dass in Herbert Grönemeyers Songs, die sich von 1980 bis in die Jetztzeit spannen, wenig vom Zeitgeist hinfortgewaschen wurde. Noch immer isst und preist man zwischen Ruhrort und Aplerbeck die „Currywurst“. Und wer hätte gedacht, dass das Flüchtigste am „Bochum“-Album eben jene vierstellige Postleitzahl „4630“ war, die 1984 noch eine feste Adresse in der Bundesrepublik darstellte, aber mit der Wiedervereinigung plötzlich dem Vergessen anheimfiel. Wenn, ja, wenn nicht Grönemeyer sie unvergänglich gemacht hätte.
Gebeutelt, aber unbeugsam
Überhaupt: Grönemeyer und Bochum, das ist eine unendliche Liebesgeschichte, die ihren vorläufigen Höhepunkt fand im Juni 2015, als er im Ruhrstadion vor jeweils 30 000 Fans spielte, unter ihnen 3500 Ex-Opelaner, die auch als Sinnbild einer vom Strukturwandel vielfach gebeutelten, aber unbeugsamen Stadt dienten. Grönemeyer bekannte sich an diesem Abend rückhaltlos zu der Stadt, die in ihm immer noch Heimatgefühle weckt. Angefangen bei „Unter Tage“... Vor den Konzerten hatte Grönemeyer gemeinsam mit der WAZ und den Lokalradios dazu aufgerufen, dem Klassiker „Bochum“ eine fünfte Strophe zu gönnen. Und dann wurden die Siegerzeilen von Ursula Tharr dort von den Fans gesungen und nun auch offiziell verewigt. „Du hast den Ruß abgewaschen, und Deine Öfen sind kalt. Doch Deine Zechen sind voll Leben. Hier wird getanzt, gelacht, das Morgen ausgedacht. Gefördert wird, was lebt.“ Grönemeyer selbst entfahren beim Konzert immer wieder Ausrufe wie „Herrlich! Herrlicher Abend! Wunderbar!“
Rockig, tanzbar oder „unplugged“
Musikalisch lässt sich an den Alben ablesen, wie sehr sie jeweils im Hier und Jetzt stehen, wie sie von den rockigeren Songs zu den tanzbareren Tracks voranschritten, um dann wieder mit einem „Unplugged“ den Gegenentwurf dazu zu liefern. Natürlich offenbart er auch seine Lebensgeschichte, am deutlichsten beim Album „Mensch“, auf dem er sich mit dem Tod seiner Frau Anna Henkel auseinandersetzte, der unter anderem der Song „Der Weg“ gilt. Es war tragisch, ernst, ehrlich, ungeschminkt, es klang modern, es war Grönemeyers größter Erfolg mit 3,7 Millionen verkauften Alben – und brachte ihn von den großen Hallen zurück in die Arenen.
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Zu reden wäre noch über vieles in Grönemeyers musikalischem Werk: die lyrische Qualität seiner Zeilen, die mal nuschelnde, mal herausschreiende Art zu singen, seine Ambitionen, seine Leidenschaft für Fußball-Hymnen, sein Teamwork mit Bono, den Fantastischen Vier, Charles Aznavour, Felix Jaehn oder New-Wave-Helden wie Fehlfarben, Stephan Remmler oder Gang Of Four.
Zur Box gibt es ein 68-seitiges Buch
Vieles davon muss man aber einfach gehört haben. Oder man führt sich das 68-seitige Buch der Box zu Gemüte, in dem viele Zeitgenossen sich wohlwollend, aber dennoch differenziert zu diesem Musiker äußern. Im Vorwort macht Grönemeyer abermals deutlich, dass dies kein Schlussstrich ist, indem er sich eines Zitats der Fehlfarben bedient: „Es geht voran!“ Mit einem Meilenstein von Box, den er nun einfach so auf den Weg gesetzt hat.