Essen. Am 18. November ist der bundesweite Vorlesetag. Wir haben uns aktuelle Bücher von bekannten Autoren angeschaut. Welche eignen sich für die Lesestunde?

Neun von zehn Kindern lieben das Vorlesen. So ein Ergebnis der Vorlesestudie 2016 der „Stiftung Lesen“. Doch ein Drittel der Eltern liest zu selten vor, um die intellektuelle, emotionale und soziale Entwicklung von Kindern zu fördern. Dabei reichen schon 15 Minuten am Tag, so die Stiftung. Auf die Bedeutung von vorgetragenen Geschichten weist sie am Vorlesetag hin, der heute wieder bundesweit gefeiert wird. Wir haben uns aktuelle Bücher von bekannten deutschsprachigen Autoren angeschaut: Taugen sie zum Vorlesen?

Cornelia Funke

Cornelia Funke zählt zu den erfolgreichsten Kinderbuchautoren und schreibt für Kleinere und Größere („Drachenreiter“, „Tintenherz“, „Reckless“). Bei ihrem neuen Büchlein hat sie an die Kleinsten gedacht: „Fabers Schatz“ (Aladin, 32 S. 12,95 €, ab 3) erzählt von einem Jungen, dem sein Opa einen fliegenden Teppich schenkt. Aber wie kann Faber ihn dazu bringen, abzuheben? Er lernt das Mädchen Shaima kennen – und plötzlich fliegt er mit ihr um die Welt. Nur in ihre Heimat möchte Shaima momentan lieber nicht: Damaskus. Cornelia Funke, die ursprünglich aus Dorsten kommt und in Los Angeles lebt, macht neugierig auf andere Kulturen. Dieses Buch ist nicht ihr bestes. Aber die von Susanne Göhlich liebevoll illustrierte Geschichte eignet sich wunderbar zum Vorlesen. Lediglich die arabischen Worte von Shaima dürften etwas herausfordernd sein.

Judith Kerr

„Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ – mit dieser Trilogie über eine jüdische Familie auf der Flucht machte sich Judith Kerr unsterblich. Sie selbst floh als junger Mensch aus Nazideutschland. Nun hat sie nach fast vier Jahrzehnten ein neues Buch geschrieben: „Ein Seehund für Herrn Albert“ (Sauerländer, 111 S., 12 €). Als der kleine Seehund seine Mutter verliert, nimmt Herr Albert das niedliche Tier bei sich auf. Das geht natürlich nicht ohne Turbulenzen . . . Die Geschichte wirkt wie aus der Zeit gefallen – die Menschen tragen Hut und es wird per Brief kommuniziert. Es ist kein weltbewegendes, aber ein liebenswertes Buch mit sehr schönen Bleistiftzeichnungen der heute 93-Jährigen. Deren Vater besaß selbst mal einen Seehund, wie sie im Nachwort verrät. Allerdings lässt sie ihre Geschichte glücklicher enden. Der Seehund wird nicht eingeschläfert. Das Buch soll für Kinder ab sechs Jahren sein. Vorlesen kann man es aber schon jüngeren. Es hat die richtige Länge für einen schönen Nachmittag bei Kaffee und Kakao.

Nikolaus Heidelbach

Er ist ein begnadeter Zeichner, aber als Autor enttäuscht Nikolaus Heidelbach: „Arno und die Festgesellschaft mit beschränkter Haftung“ (Beltz & Gelberg, 64 S., 29,95 €, ab 6) ist ein prächtig illustriertes, großformatiges Buch über das Abenteuer eines Jungen. Doch die Geschichte wirkt wie eine Aneinanderreihung von Fantasieeinfällen. Das Buch ist schön zum Angucken, aber nicht zum Vorlesen.

Peter Härtling

Seine Bücher behandeln oft soziale Probleme. Auch den aktuellen Herausforderungen stellt sich Peter Härtling: „Djadi, Flüchtlingsjunge“ (Beltz & Gelberg, 115 S., 12,95 €, ab 10) erzählt von einem Kind, das ohne Eltern in Deutschland strandet. Eine Wohngemeinschaft mit Erwachsenen, die seine Großeltern sein könnten, beherbergt den Elfjährigen. Härtling schildert eindringlich, welche Sorgen und Freuden mit dieser neuen Aufgabe verbunden sind. Das Buch eignet sich sehr gut zum Vorlesen. Nicht nur, weil man im Anschluss über das Geschriebene reden kann. Auch dem erwachsenen Vorleser selbst wird die Lektüre gefallen. Das Selberlesen dürfte manchen Kindern dagegen schwerfallen: Härtling setzt bei wörtlicher Rede keine Anführungszeichen.